Stadt Memmingen:Kriegsgefangenenlager Stalag VII B Memmingen 1940-1945

Kriegsgefangenenlager Stalag VII B Memmingen 1940-1945

Mit Befehl des Wehrkreiskommandos VII vom 21. Juni 1940 wurde zur Entlastung des Stammlager VII A Moosburg in Memmingen das Stalag VII B für den Regierungsbezirk Schwaben errichtet. Die Unterbringung erfolgte ab Juli/August 1940 in den ehemaligen Gebäuden der (1933 am Hühnerberg errichteten) SA-Sportschule sowie in Baracken und Zelten.

Das Memminger Lager hatte zunächst eine Kapazität von etwa 1.000, später etwa 1.700 Personen; zum Kriegsende befanden sich vermutlich etwa 3000 französische, sowjetische, britische, jugoslawische und amerikanische Gefangene im Stalag. Mehr als 20.000 Kriegsgefangene waren bis April 1945 auf ca. 800 Arbeitskommandos verteilt.

Nach Beginn des Feldzuges gegen die Sowjetunion wurden im Stalag VII B 92 russische Gefangene als "weltanschaulich untragbar" ins Konzentrationslager Dachau überführt und dort ermordet. Nach dem Waffenstillstand mit Italien im September 1943 wurden in Memmingen auch italienische Gefangene interniert. Im Stalag verstorbene Gefangene wurden auf einem gesonderten Feld des Waldfriedhofes bestattet; ihr Tod wurde teilweise in den Memminger Personenstandsbüchern protokolliert.

Erhaltene Gebäude des Stalag VII B (vormals SA-Sportschule)

Wohl nirgends sonst im Memminger Stadtgebiet lassen sich Höhen und Tiefen des 20. Jahrhunderts besser nachvollziehen als am Hühnerberg. Die Geschichte des Areals wurde 2019 von einem Arbeitskreis des Historischen Vereins Memmingen auf Informationsstelen skizziert:

  • Bismarckturm (1904/08)
  • Volks- und Sportpark (1929 ff.)
  • SA-Sportschule (1933/34)
  • Wehrmachtskaserne (1936-1940)
  • Stalag VII B (1940-1945)
  • Flüchtlingslager/-siedlung (1946 ff.)

Erhalten haben sich am Memminger Rübezahlplatz einige Gebäude der SA-Sportschule bzw. des Stalag VII B (sog. Oberes Lager), da sie ab 1946 sudetendeutschen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen für Gewerbe- und Wohnungszwecke zur Verfügung gestellt werden konnten. Eine Gebäudegruppe unterhalb des Hühnerberges (sog. Unteres Lager) ist nicht mehr vorhanden.

Die vom Memminger Architekten Hans Wagner (1898-1958, vgl. Luttenseekaserne in Mittenwald sowie zahlreiche NS-Siedlungshäuser in Memmingen) entworfenen Gebäude gruppieren sich um den einstigen Lagerplatz und schlossen das Lager nordwestlich ab. Im Südosten erstreckte sich das Kriegsgefangenenlager mit seinen Baracken und Zelten (siehe Lageplan eines US-Gefangenen, März 1945) über die heutige Hühnerbergstraße bis zur Bodenseestraße. Durch den ab 1949 forcierten Siedlungsbau wurde das Areal stark überformt.

Organisation des Stalag VII B

Lagerkommandanten waren Oberstleutnant Koch, Oberstleutnant Schuster, Oberstleutnant Gayer, Oberst Burger, Oberst Winiwarter sowie deren Stellvertreter Major Margerie, Major Lindenmüller und Oberstleutnant Wöhler. Letzterer übergab als Lager- und Stadtkommandant am 26. April 1945 das Stalag den anrückenden US-amerikanischen Truppen. Die Verwaltung war in folgende Gruppen eingeteilt: Gruppe I: Kommandantur und Hauptkartei, Gruppe II: Arbeitseinsatz, Gruppe III: Poststelle und Bekleidung, Gruppe IV: Zahlmeisterei. Hinzukamen Lageroffizier, Lagerarzt und Heeresstandortverwaltung.

Karteien der Gefangenen haben sich im Stadtarchiv Memmingen nicht erhalten; nur in wenigen Einzelfällen lassen sich Angaben zu Aufenthalt oder Arbeitseinsatz machen.

Möglicherweise im Nachgang zu einem Besuch ehemaliger französischer Kriegsgefangener 1965 in Memmingen verfasste Georg Habdank 1969 einen mehrseitigen Bericht über die Organisation des Stalag VII B Memmingen ("Kriegschronik"). Das Manuskript des Angehörigen der Stabkompagnie des Stalag vermittelt Einblicke in Aufbau und Organisation des Kriegsgefangenenlagers, aber kein vollständiges Bild der Geschichte des Lagers und der Haftbedingungen im Lager. Von Georg Habdank stammt auch eines der beiden erhaltenen Fotoalben zum Stalag VII B.

Akten und personenbezogene Unterlagen im Stadtarchiv

  • Bau eines Arbeitslagers bzw. einer SA-Sportschule, errichtet nach Plänen des Memminger Architekten Hans Wagner durch die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitsbeschaffung bzw. den SA-Sportschulverein 1933 entlang von Spitalmühlweg und Hühnerbergstraße
  • Entwässerung des Kriegsgefangenenlagers am Hühnerberg, 1942
  • Beschlagnahme der Turnhalle am Ratzengraben für das Stalag VII B, 1944
  • Wochenlisten und Abrechnungen zum Stalag-Arbeitskommando 1437 in der Gemeinde Dickenreishausen 1940/41 sowie Einsatz ausländischer Arbeitskräfte 1940 ff. und ihre Erfassung im Februar/Juni 1946
  • Namenslisten aller "Militär- und Zivilpersonen der Vereinten Nationen und aller anderen Ausländer, deutscher Juden und staatenloser Personen", die sich vorübergehend oder dauernd in der Gemeinde Memmingen aufgehalten haben (darunter auch Listen von Firmen, u.a. des Baugeschäftes Franz Unglehrt) / Meldelisten an den Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes, 1946 ff.
  • Einträge in den Personenstandsunterlagen von Stadt und eingemeindeten Orten (Sterbebücher)
  • Namensverzeichnisse der Friedhofsverwaltung zum Gräberfeld am Waldfriedhof

Polizei-Monatsberichte im Stadtarchiv

Vom Juni 1941 bis März 1945 erstattete die Schutz- und Kriminalpolizeiabteilung der Stadt Memmingen monatliche Bericht. Die strukturierten Berichte gliedern sich zumeist in folgende Abschnitte:

Teil I

  • Stimmung, Haltung und Einsatz der Bevölkerung
  • Gerüchte / Volks- und staatsfeindliche Bestrebungen
  • Kriminalität
  • Verhalten der ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangenen
  • Unfälle und Notstände
  • Umquartierung und Wohnraumbewirtschaftung
  • Verhalten der Kirchen
  • Juden
  • Öffentliche Sicherheit
  • Luftschutz

Teil II

  • Landwirtschaft
  • Versorgungslage und Gesundheitszustand der Bevölkerung
  • Handel, Industrie, Gewerbe und Handwerk
  • Sonstiges

Chronikalische Notizen des Memminger Bürgermeisters

Von Memmingens Bürgermeister Dr. Heinrich Berndl (1932-1945) sind (unvollständige) Manuskripte zu den Geschehnissen in Memmingen von 1943 bis zum Kriegsende 1945 erhalten. Die "Chronik" ist nach verschiedenen Aspekten sortiert, u.a. Allgemeine Stimmung, Fischertag, Fliegerhorst, Grundstücksangelegenheiten, Kriegsgefangenenlager, Luftschutz, Partei/Gliederungen, Polizei, Stadtsparkasse, Stadtverwaltung, Stiftungen, Wehrmacht.

Fotografien und Filme

  • Fotoalbum eines Mitglieds der Lagerverwaltung (Georg Habdank, undatiert aus Privatbesitz)
  • Fotoalbum eines US-Gefangenen (Ray Sherman) zur Befreiung des Stalag VII B am 26. April 1945 und zum Lagerleben der anschließenden Tage (aus Privatbesitz)
  • Fotografien aus der Zeit nach 1945 (Nutzung der Gebäude und Baracken zur Unterbringung von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen bzw. derer Gewerbebetriebe)

Links und Literaturhinweise

  • Webseite des "Stalag Moosburg e.V. Verein zur Förderung kultureller Begegnung" (www.stalag-moosburg.de)
  • Webseite des Suchdienstes des Internationalen Roten Kreuzes / Arolsen Archives - International Center on Nazi Persecution (Große Allee 5 – 9, 34454 Bad Arolsen, +49 (0)5691 629-0) (www.arolsen-archives.org)
  • Hoser, Paul: Die Geschichte der Stadt Memmingen. Vom Neubeginn im Königreich Bayern bis 1945, Stuttgart 2001, insbes. S. 268-269, 279-280
  • Jobe, Wilbur: Die Heimatvertriebenen Memmingens. Dokumentation, masch.schr., Memmingen 1991
  • Otto, Reinhard: Wehrmacht, Gestapo und sowjetische Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Bd. 77), München 1998
  • Speckner, Hubert: In der Gewalt des Feindes. Kriegsgefangenenlager in der 'Ostmark' 1939 bis 1945, München 2003
  • Bischof, Günter / Karrer, Stefan / Stelzl-Marx, Barbara: Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges: Gefangennahme - Lagerleben - Rückkehr, Wien 2005
  • Otto, Reinhard / Keller, Rolf / Nagel, Jens: Sowjetische Kriegsgefangene in deutschem Gewahrsam 1941–1945. Zahlen und Dimensionen, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2008, S. 557-602
  • Schreiber, Gerhard: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943-1945, Verraten – Verachtet – Vergessen, München 1990
  • Overmans, Rüdiger in Zus.arb. mit Andreas Hilger und Pavel Polian: Rotarmisten in deutscher Hand. Dokumente zu Gefangenschaft, Repatriierung und Rehabilitierung sowjetischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges, Paderborn: Schöningh 2012
  • Reither, Dominik: Stalag VII B Moosburg. Ein Kriegsgefangenenlager 1939-1945, Moosburg 2015
  • Reither, Dominik / Rausch, Karl / Abstiens, Elke / Fößme20ier, Christine: Auf den Spuren verlorener Identitäten. Sowjetische Kriegsgefangene im Stalag VII A Moosburg, 2. korr. Aufl., Moosburg 2018
  • Otto, Reinhard / Keller, Rolf: Sowjetische Kriegsgefangene im System der Konzentrationslager (Mauthausen-Studien 1), 2019

Tagung "Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben" (2023)

Trotz einiger lokaler Studien seit Ende der 1990er Jahre, liegt zur Zwangsarbeit in Schwaben noch Vieles im Dunkeln. Am 24./25. März veranstaltete die Bezirksheimatpflege Schwaben eine Tagung in Irsee, um den Stand der Forschung in und für Schwaben zu bestimmen und die bisher gewonnenen Erkenntnisse zusammenzutragen. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Rolle des Kriegsgefangenenlagers Stalag VII B in Memmingen.

Sektion 1: Zwangsarbeit und Kriegsgefangenschaft

  • Christoph Lang: Einführung
  • Corinna Malek: Kriegs- und Zwangsarbeit im Moor

Sektion 2: Die Kriegsgefangenenlager Stalag VII A (Moosburg) und Stalag VII B (Memmingen)

  • Rüdiger Overmans: Das Kriegsgefangenlagersystem
  • Julia Devlin: Das Stalag VII A Moosburg
  • Christoph Engelhard: Das Stalag VII B Memmingen
  • Jakob Wolf: Das Stalag VII B Memmingen im Kontext des deutschen Kriegsgefangenenwesens
  • Petra Schweizer-Martinschek / Michael von Cranach: Die Behandlung von ausländischen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern in der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren

Sektion 3: KZ-Zwangsarbeit in Schwaben

  • Edith Raim: Das KZ-System - eine Einführung
  • Wolfgang Kucera: Zwangsarbeit in Augsburg
  • Sabine Klotz: Zwangsarbeit in Augsburg
  • Markus Naumann: KZ-Zwangsarbeit in Kempten

Sektion 4: Zivile Zwangsarbeit in Schwaben

  • Barbara Zeitelhack: Portraitfotografien von Zwangsarbeitern
  • Dieter Weber: Zivile Zwangsarbeiterschicksale in Kempten
  • Peter Stöferle: Zwangsarbeit im NSDAP-Kreis Neu-Ulm
  • Matthias Georgi: Zwangsarbeit bei der LEW

Sektion 5: Erinnerungskultur nach 1945

  • Sylvia Heudecker: NS-Erinnerungskultur sehen und verstehen
  • Veronika Heilmannseder: Erinnerungskultur nach 1945 in Schwaben

Kontakt: heimatpflege@bezirk-schwaben.de.

Online-Tagung "Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben" (2021)

Zur Einführung in die Thematik "Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben" fand am Freitag, 22. Oktober 2021 eine Online-Tagung statt.

Sektion 1: Kriegsgefangenschaft in der NS-Diktatur

  • Moderator: Prof. Dr. Dietmar Süß, Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Augsburg
  • Dr. Rüdiger Overmans: Das Kriegsgefangenenwesen der Wehrmacht
  • Dr. Reinhard Otto: Die sowjetischen Kriegsgefangenen im Reich

Sektion 2: Zwangsarbeit in der NS-Diktatur

  • Moderatorin: PD Dr. Edith Raim, Lehrbeauftragte für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Augsburg
  • Peter Stöferle: Zwangsarbeit in Stadt und Kreis Neu-Ulm
  • Dr. Sven Feyer: Unternehmen und Zwangsarbeit: Die MAN im Dritten Reich