Stadt Memmingen:Memmingen und das Aufbegehren von Bauern und Bürgern 1525

Memmingen und das Aufbegehren von Bauern und Bürgern 1525

Allzu hohe Abgaben und überzogene oder willkürliche Frondienste lösten 1524/25 unter der bäuerlichen, vielfach der Leibeigenschaft unterworfenen Bauernschaft Unruhe aus. Im ganzen Reich drängten Bauern auf eine Linderung ihrer Not. Besonders entschlossen zeigten sich die Menschen zwischen Donau und Bodensee. Die folgenden Seiten widmen sich dem Bauernaufstand aus der Perspektive der Reichsstadt Memmingen, in der die Zwölf Artikel entstanden und die Vertreter der oberschwäbischen Bauernschaft eine "Christliche Vereinigung" schufen.

Zwölf Artikel (Forderungskatalog, entstanden zwischen dem 28.02. und 03.03.1525)

Sebastian Lotzer, Memminer Bürger und Feldschreiber des Baltringer Haufens, fasste Ende Februar die Forderungen der Memminger Bauern nach Freiheit und Teilhabe in 10 Artikeln, zeitgleich diejenigen der Bauern aus der Region in den "Grundtlichen vnd rechten Hauptartickel, aller Baurschafft vnnd Hyndersessen der gaistlichen vnd weltlichen Oberkayten, von wo(e)lchen sy sich beschwert vermainen" zusammen. Ohne Nennung ihrer regionalen Herkunft fanden die Zwölf Artikel als Programmschrift und Forderungskatalog große Verbreitung im gesamten Reich. Die moderne Geschichtsforschung sieht in ihnen eine der ersten europäischen Menschenrechtserklärungen. Die nachfolgende Rubrik "28.02.-03.03.1525 - Die Zwölf Artikel" führt zu digitalisierten Ausgaben in Staats- und Landesbibliotheken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Bundesordnung der oberschwäbischen Bauernvertreter (entworfen am 06.03.1525, verabschiedet am 07.03.1525)

Im März 1525 versammelten sich Vertreter dreier Bauernvereinigungen - der Allgäuer, Baltringer und der Bodenseer Bauernhaufen - in Memmingen. Bereits in ihrer ersten Sitzung verabschiedeten sie "Handlung vnd Artickel so fürgenomen worden auf Afftermontag nach Invocavit, von allen Retten der Heuffen, so sich zusamen verpflicht haben, in dem Namen der heyligen vnnzerteylten Dreyeinigkeit." Die moderne Geschichtsforschung sieht in der Bauernversammlung ein frühes (vor)demokratisches Ereignis auf dem Weg zum modernen demokratisch legitimierten Verfassungsstaat. Die Bundesordnung fand als Flugschrift ebenso wie die Zwölf Artikel eine große Verbreitung im Reich. Die nachfolgende Rubrik "07.03.1525 - Bundesordnung der "Christlichen Vereinigung" der oberschwäbischen Bauernschaft" führt zu digitalisierten Ausgaben in Staats- und Landesbibliotheken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit)

Vor diesem historischen Hintergrund widmet sich die Stadt Memmingen seit 1975 intensiv um ein würdevolles Gedenken an die Ereignisse im Raum Memmingen vom Dezember 1524 bis Juli 1525. Nachfolgend ein chronologischer Überblick mit Links zu einschlägigen Quellen und Literatur in Staats-, Kirchen- und Kommunalarchiven.

Die Reformation in der Reichsstadt Memmingen ist untrennbar mit dem Prediger Christoph Schappeler (geboren 1472 in Sankt Gallen) verbunden, der ab 1513 in Memmingen wirkt, Steuern und Zehntabgabe sozialkritisch hinterfrägt, lutherisch (bzw. zwinglianisch) predigt und den Gläubigen das Abendmahl "in beeden Gestalten" (Brot und Wein) bereitet. Am Weihnachtstag 1524 kommt es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Schappelers Anhängern und dem Kreuzherrn-Chorherren und Pfarrer zu Unser Frauen, Jakob Megerich.

Die Weihnachtsvesper im alte Ritus dauerte lange - "ein Geplärr" - so Sebastian Lotzer - "bis es schier Nacht werden wollte; da ward das Volk verdrossen; zuletzt wollten sie erst lang räuchern; da ward das Volk gar unwillig, denn der Doctor [Schappeler] hatte sämmtlichen jüdischem Brauch mit dem Worte Gottes zuvor zu Haufen geschlagen. Da nun der Pfarrer [Megerich] mit dem Räuchern durch´s Volk wollte gehen, ward ihm nicht gewichen; da ging er wieder hinauf in Chor; da erhob sich hernach ein Getümmel." (Auszug aus "Entschuldigung ainer Frummen Christlichen Gemein", Flugschrift 1525)

Mit dem Hinweis auf die Vertreibung der Händler aus dem Tempel gab Lotzer der aufgebrachten Menge eine Rechtfertigung an die Hand und machte sich zu ihrem Anwalt. Nicht die Heilige Schrift, sondern die Willkür der Herrschaften seien die Ursache für Gewalt und Bedrückung.

Quellen

  • Ratsprotokolle der Reichssstadt Memmingen
  • Sebastian Lotzer: Entschuldigung ainer Frummen Christlichen Gemein, Flugschrift 1525

 

Die Predigten Christoph Schappeler sorgen für große Aufmerksamkeit und Zuspruch in Memmingen und Umgebung. "Hat ein freventliche Predigt gethan", notiert Stadtschreiber Ludwig Vogelmann ins Ratsprotokoll. Nach den Tumulten zu Weihnachten 1524 lädt der Rat alle Geistlichen der Reichsstadt zu einem Religionsgespräch ein.

Anwesend waren die Räte und Geistlichen der Reichsstadt, aber auch auswärtige Gäste, darunter der Konstanzer Generalvikar Johann Fabri. Ab dem 2. Januar 1525 wurde über sieben Artikel Schappelers diskutiert - nach Johann Georg Schelhorns Reformationshistorie handelte es sich um folgende Anliegen:

(1) Die Ohrenbeichte sei nicht nöthig, aber die Beichte, die zu Gott treulich geschehe, sei heilsam.
(2) Die Anrufung der Mutter Gottes und der Heiligen sei unzulässig.
(3) Den Zehnten aus göttlichem Rechte zu geben, wisse das Neue Testament und Gesetz nicht zu sagen.
(4) Die Messe, das Nachtmahl Christi genannt, sei kein Opfer, sondern ein Gedächtniss der gewissen Verheissung der Verzeihung der Sünden, von Gott uns gemacht und durch den Tod seines einigen Sohnes bestätigt.
(5) Aus der Schrift wisse ma von keinem Fegfeuer zu sagen.
(6) Das h. Sacrament des Altars solle ganz in beiderlei Gestalt und nicht halb allen Christen, so es begehren, nach dem Worte und Befehl Christi mitgetheilt werden.
(7) Ein einiges geistliches Priesterthum mit gleichem Opfer und Amt, nicht zweierlei, sei allen Christgläubigen gemein.

Jakob Megerich, Kreuzherr und Pfarrer zu Unser Frauen verwies auf die Zuständigkeit eines Konzils. Abschließend verfasste Schappeler 23 Artikel; ein Auszug wurde zur Begutachtung an die Prediger Conrad Sam (Ulm) und Dr. Urbanus Rhegius (Augsburg) gesandt:

(1) Item ob man den pfaffen zuegeben möcht das si weiber nemen.
(2) Item ob man in burgh vnd zunfftrecht volgen lassen soll.
(3) Item ob wir steuer vnd andere dienst wie von anderen burgern nemen mögen.
(4) Item ob die gaistlichen ainen aid wie ander pu(o)rger au(o)ch schwörn mögen.
(5) Item was wir den pfaffen so von den messen abstanden volgen lassen soln.
(6) Item so ain pfaff alter sterb, wie wir es dan mit den pfründen halten soln, ob wir die anderen verlihen oder wahin wir das einkomen wenden söln, dergleichen mit den Jartegen.
(7) Auch mit den Zehenden wie es gehalten werden sol.
(8) Item ob man die siben zeit zu singen fallen lassen sel.

Artikel Christoph Schappelers zur Disputation (ediert bei Pfundner in den Memminger Geschichtsblättern 1991/92)

Der Rechtsgelehrte Johann Rechlinger antwortete am 15. Januar mit folgenden Sätzen: "Ueber die sieben Artikel des Predigers wolle er sich um so weniger ein Urtheil erlauben, als die Theologen selbst hierin nicht völlig eins seien; ein Rath möge sich in diesem Stücke bescheiden und unverweislich halten und die Verantwortung den Predigern überlassen; man solle zwar nichts wider das lautere und klare Wort Gottes vornehmen, aber dieses erleide auch eine verschiedene Auslegung. Die gestifteten Messen künftighin nicht mehr zu verleihen, die Jahrtage abzuthun und das Geld zu anderen Zwecken zu verwenden sei der Rath geistlichem und weltlichem Rechte nach auch dann nicht befugt, wenn er diese Stiftungen selbst gemacht hätte und die derzeitigen Priester oder Pfarrherren damit einverstanden wären; ein Rath könnte später genöthigt werden, solche Stiftungen mit grossem Schaden und Nachtheil zu restituiren und wäre daher besser, einstweilen abzuwarten; das gegenwärtige Wesen könne doch keinen langen Bestand haben, sondern müsse auf die eine oder andere Weise eine Aenderung eintreten. Im Uebrigen erachte er das für ein christlich und evangelisch gut Wesen, wenn man zuerst bei sich selbst den rechten, christlichen Glauben in Werken, wie sie Gott geboten, erzeigte, seine eigene Missethat bedächte, und strafte und sich der Besserung beflisse, daneben andere öffentliche Sünden und Laster, wie sich gebührt, abstellte, dasjenige, was nicht in böser Absicht, sondern in guter Meinung geschehen, wenn es auch nicht viel nützte, beruhen liesse und Gott und der Zeit befähle, mittlerweile aber dem lautern göttlichen Wort anhienge, in streitigen Dingen Gott um Erleuchtung bäte und erst nach besserer Erkenntniss der Wahrheit sich daran machte, andere Leute oder Dinge zu strafen und zu reformiren; aber nur andere Leute und Dinge und sich selbst nicht reformiren, sei ein Ungleiches und auch wider Gott."

Nicht zum ersten Mal verbünden sich 1525 in Oberschwaben Bauern, um auf Missstände aufmerksam zu machen und deren Beseitigung bei ihren Herrschaften einzufordern. Sonthofen, Oberdorf, Leubas, Rappertsweiler, Bermatingen und Baltringen werden zu Sammelstellen des Aufstandes.

Am 14. Februar verbündeten sich die Bauern aus dem Allgäu und dem Stift Kempten in Sonthofen, bekräftigten am 24. Februar in Oberdorf ihr Bündnis unter Eid und vereinigten sich am 27. Februar in Leubas unter Jörg Schmid (Knopf) zu Leubas zur „Christlichen Vereinigung der Landart Allgäu“. Die Bauern forderten in verschiedenen Beschwerdeschriften Reformen in der Agrarwirtschaft, Freizügigkeit und Minderung von Frondiensten sowie kirchliche Reformen - auf der Basis der Heiligen Schrift, "so wil man bei ainander bestan und bei dem heligen Evangelio und bi dem Wort Gotz und bi dem heligen Rechten und ain ander zu Recht helfen und darzu und daran setzen Lib und Gut und alles, das uns Got verleichen hat, und bei ain andern verlieren Lib und Leben, wan wir sein Gebrieder in Christo Jhesu, unsern Erleser." (Auszug aus den Allgäuer Artikeln vom 24. Februar 1525)

Im Seehaufen organisierten sich die im Umfeld des Bodensees lebenden Bauern: Am 21. Februar versammelten sich etwa 8000 Bauern in Rappertsweiler und fassten ihre Beschwerden in Artikeln zusammen.; zeitgleich vereinigten sich die aufständischen Bauern des nördlichen Oberschwaben in Baltringen.

Im Februar 1525 erreichen den Memminger Rat Beschwerden aus der eigenen Bauernschaft, die dem Spital, städtischen Stiftungen oder Stadtbürgern leibeigen waren. Die Steinheimer fordern die Predigt nach dem Wort Gottes und das Abendmahl in beiderlei Gestalt, aber auch Anteile an der Nutzung des Spitalwaldes.

Seit 1523 hatte der aus Horb (österreichische Grafschaft Hohenberg) gebürtige Laienprediger Sebastian Lotzer in Flugschriften Sympathien für die Lehren Martin Luthers bekundet - verbunden mit einer Kritik an den Missständen in Kirche und Gesellschaft. Als sich 1524 die wirtschaftliche Situation verschlechterte, kam es - animiert durch die Predigten Christoph Schappelers zu Sankt Martin - zu ersten Zehntverweigerungen. "Man sey nit schuldig, den zechenden zu geben bey einer todsind" wurde Schappeler schon Wochen vorher in einer Ratssitzung zitiert.

Am 15. Februar 1525 kamen im Rat die Beschwerden der Steinheimer Bauern zur Sprache. Stadtschreiber Georg Meurer schrieb dazu ins Protokoll: "Die von Stainhaim haben begert, mit irem pfarrer zu verschaffen, inen das wort gotz wie hinnen zu predigen, vnd das er in das sacrament in baiderlai gestalt raichen wel, weiter das man mit dem hofmaister verschaff, das er in ain pletzen holtz eyngeb, wie von alter herkomen ist. Zum beschluß so seien etlich bawrn zu in komen vnd innen gesagt, wa sy nit zu in fallen vnd inen helfen ir furnemen volstrecken, so wellen sy der tag ains komen vnd mit inen zu morgen essen. Ist erraten, man welle den von Stainhaim ir begern abschlagen des holtz halb vnd inen dagegen sagen, die pfleger wellen in irem costen das holtz allenthalben im wald, das nit hutz sei, durch ain gemaind scheuten lassen, vnd inen dan das vmb ain zimlichs zu kaufen geben, das solt man in ain platz eyngeben, so mecht man ain fichwaid darauß machen, dardurch das holtz gemindert wurd vnd nit mer wachsen mecht. Des ander halb, das wort gotz betreffend vnd sacrament in baiderlai gestalt zu geben, sol inen gesagt werden, man kint den pfaffen auf dem land nit, wie in der stat beschitzen, man stand aber yetz in handlung, der sachen ain außerung zu geben, alß dan wel man ine das auch nit verhalten. Zum dritten, dieweil die von Stainhaim nit anzaigen kinden, wer die seien, so gesagt haben, sy wellen mit inen zu morgen essen, alle weil sy dan thuen, was sy schuldig seien, so wel ain rat als ir her zu inen setzen."

Nicht nur aus Steinheim, sondern auch aus weiteren Dörfern des Memminger Einflussbereiches gelangen Beschwerden an den Rat der Reichsstadt. Am 23. Februar erhält eine Gesandtschaft des Rates erste Forderungen. Der Rat fordert hierauf seine und des Heilig-Geist-Spitals Bauern auf, in jedem Dorf vierköpfige Ausschüsse zu bilden und die Beschwerden genauer zu benennen.

Aus den Ratsprotokollen:

13. Febr. 1525: Die Bauern des Memminger Bürgers Wilhelm Besserer in Pleß schwören zusammen, sich einander beizustehen. Sie fordern Teilhabe an Jagd und Fischerei sowie ein Ende der beschwerlichen Abgabe des Ehrschatzes.

15. Febr. 1525: Die Steinheimer fordern vom Rat, dass man ihnen einen Pfarrer geben solle, der das Wort Gottes predige und das Abendmahl in beiderlei Gestalt reiche – und dass man ihnen in den Stiftungswäldern Holz zukommen ließe.

22. Febr. 1525: Wegen bäuerlicher Beschwerden findet in Erkheim eine Gemeindeversammlung statt.

Am 24. Februar bittet der Memminger Rat die Bauern, "dass sie friedlich bei einander bleiben, nirgends hinlaufen, sondern ein jedes Gericht vier Mann ausscheide, welche ihre Beschwerungen dem Rath anzeigen sollen." Die Dörfer schrieben am darauffolgenden Tag dem Rat: "Nachdem E. ersam W. die Tag verschinen zu uns als euwern Undertonen etlich Ratsgesanten geschickt und uns ermanen laßen, das wir stil sitzen und nit mit jemand bei disen Löffen uns verbinden, noch versprechen, auch uns darbei firgehalten, wa wir etwas Mangels oder Gebrechen haben, mügen wir söllichs ainem ersamen Rat anzaigen und firhalten etc., auf söllich euwer cristelich Firhalten haben wir uns zusamen verfiegt gen Memingen und uns all ainhelliglichen da entschloßen ..." (Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 24. Februar 1525)

In den folgenden Wochen gelangen weitere Beschwerden aus Dörfern im Memminger Rathaus ein; Sebastian Lotzer fasst sie in Zehn Artikeln zusammen; am 15. März beantwortet sie der Rat in einem ausführlichen Bescheid. 

15. März 1525: Der Rat beschließt, dass die städtischen Prediger mit den Bauern in Woringen und Dickenreishausen wegen ihrer Beschwerden ins Gespräch treten.

24. März 1525: Bezüglich der Waldnutzung wollen sich die Frickenhauser Bauern an Recht und Ordnung halten.

In 10 Artikeln fasst Sebastian Lotzer die Beschwerden und Forderungen der Bauern des Memminger Einflussbereiches (damals verteilt auf 27 Dörfer) zusammen. Für seine Antwort nimmt sich der dialogbereite Rat einige Tage Zeit - bis zum 15. März 1525 - und kündigt schließlich einige Zugeständnisse an die Bauern an, darunter die Besetzung der Pfarreien mit christlichen Seelsorgern, die Aufhebung der Leibeigenschaft, das Fischen mit "Beren" in gemeindlichen Gewässern und die Aufhebung des Ehrschatzes.

Die zwischen dem 24. Februar und 3. März 1525 verfasste Eingabe der Memminger Bauern stimmt fast wörtlich mit den späteren bzw. gleichzeitig formulierten 12 Artikeln der oberschwäbischen Bauern überein.

Inhalt der Artikel: 

  1. Predigt des reinen Wortes Gottes
  2. Abschaffung des Zehnten
  3. Aufhebung der Leibeigenschaft
  4. Freigabe von Jagd und Fischerei
  5. Bemessung der Frondienste
  6. Aufhebung des Ehrschatzes
  7. Verminderung der Bußzahlungen
  8. Rückgabe ehemaligen Gemeindelandes
  9. Freier Verkauf landwirtschaftlicher Produkte und Verringerung von Abgaben bei Missernten
  10. Ermäßigung der Gültabgaben

Dritter Artikel der 10 Artikel: "Furs 3. so ist bisher im Brauch gehalten worden, das wir fur euer aigen, arm Leut gehalten worden seien, welches zu erbarmen ist, angesehen, daß uns Cristus all mit seinem teuren Blut erloset und erkauft hat, den Hirten gleich sowol als den Kaiser. Das wir aber darumb dhain Oberkait haben wollen, ist unser Mainung nit, sonder wir wollen aller Oberkait, von Got geordnet, in allen zimliche und gebürlichen Sachen gern gehorsam sein, seien auch unzweifel, ir werden uns der Aigenschaft als cristenlich Herren gern entlaßen etc."

Antwort des Rates auf den Dritten Artikel: "Auf den 3. Artikel, die Leibaigenschaft betreffent, wiewol meine Herren dieselben also umb ain mercklich Summa Gelts erkauft haben, und die Leibaigenschaft ainen Cristenman an der Sel Seligkait nitt hindert, noch dann, damit die Undertonen ains Rats genaigten Willen sechen und erkennen mugen, so wöllent sie ire Undertonen sollicher Leibaigenschaft, so fil der aim Rat zugehörig und verwandt sein, erlaßen und ledig zelen, doch das sie meinen Herren järlich dagegen ain zimlich Schirmgelt geben und sonst kainen andern Schirm, dieweil sie in ains Rats Zwing und Penn sein, annemen und kainen, der nit frei sei, zu inen ziechen laßen, desgleichen das seine Undertanen, Man- und Frauenpersonen, zu kainem aigen, sonder freien Leuten siech verheiraten und sonst ainem Rat als ir Oberkait in allen zimlichen Dingen, als Steurn, Raisen und dergleichen, Botten und Verbotten gehorsam seien, und so ainer, des er schuldig ist, zalt, mag er dann unverhindert ains Rats ziechen, wa er will."

Edition der 10 Artikel (bei Franz Ludwig Baumann: Akten zur Geschichte des Deutschen Bauernkriegs aus Oberschwaben, Freiburg/Breisgau 1877, S. 120-126)

Mit mehreren Flugschriften meldet sich Sebastian Lotzer (gebürtig aus Horb am Neckar, seit 1523 Memminger Bürger) zu Wort. Der Laienprediger zeigt sich darin als profunder Kenner der heiligen Schrift. Ende Februar 1525 wird er Feldschreiber des Baltringer Haufens.

Die Bauern aus verschiedenen Regionen nördlich des Allgäus verbündeten sich in Baltringen, das zur Reichsstadt Ulm gehörte, zwischen Weihnachten 1524 und Fasnacht 1525 (Fasnachtsmontag, 1. März) – unter Führung Ulrich Schmids, des Schmieds von Sulmingen. Zu ihnen gehörten auch Bauern aus Ottobeuren, Wolfertschwenden, Niederrieden, Sontheim und Heimertingen.

Auszug aus der Chronik des Nonnenklosters zu Heggbach: "Also da man zalt 1524 Jar uf den hailigen Cristag am Abent vor, in der hailigen Nacht, seint etlich Pauren zue Baltringen im Wirtshaus gesessen, und sint etlich von Sulmingen auch dagesein und hond uf die hl. Nacht geratschlaget, wie sie ire Sachen wellent anfahen. Also uf unser lieben Frauen Liechtmeß Abent, als man zalt 1525, der was uf ain Mittwoch gefallen, da der Convent ob Tisch saß, da kam ein Pottschaft von dem Burgermaister von Ulm, Ulrach Nidhart, der zue derselben Zeit in Kriegsleufen der obrist Hauptmann was, und der fier Obrister ainer was in dem gemainen Bunt, daß wür sollent flechnen, was wier fürnämbs und lieb hettent, den er wer im Riet zue ainem Haufen mit Pauren kommen und hett sie gefragt, was sie da tettent, si sagent, sie wolltent ain Danz hon, er sprach: "Sint doch kein Junkfrauen da?" Si zaigent zue unserm Closter, da werent Junkfrauen genueg, mit denen wolten si ain Danz hon."

Seit Anfang Februar stand man in Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund; wenige Tage vor der gemeinsamen Bauernversammlung mit den Bauernvertretern aus dem Allgäu und vom Bodensee in der Reichsstadt Memmingen wurde Sebastian Lotzer Feldschreiber des Baltringer Haufens.

Auszug aus der "Sabbata" - der Chronik des Johannes Kessler für Sankt Gallen: "In dem ist der Huldrich Schmid, der under dem last ainig gestütz lag, gen Memmingen gangen, guoter hoffnung, er wurde da personen finden, die in sinem fürneme im möchten hilflich und beraten sin und erkantnus hielten tütscher nation gelertsten, welchen die sach nach vermügen Gottes wort ußzusprechen solte haimgestelt werden, all die in ain summ und ordnung stellen sampt andren artiklen, so der herrschaft fürzehalten notwendig bedunken wurde. Da ist im antragt Sebastion Lotzer genannt, an kürsiner, als an geschriftglerter und sollicher dingen halb als ain erfarner gesell. Wie er aber darumb angelangt worden, hat er dem Huldrichen sin bitt bald abgeschlagen, wie mir der Sebastian selbst gesagt, als er hie zuo Sant Gallen sampt andren ußtrettnen panthiten, sich an zit lang ufenthielt, und gesprochen: Lieber Huldrich, dir ist nit unwissend, wie über ainem gwaltigen her oberster bist; hierumb dir besunder geschickte, gelerte männer not sind. So bin ich ain ainfaltiger, gemainer handtwerksgesell; hab mich ain kainem hof nach in kainer kanzly ie geuebt, ja nie kaines notarien substitut gewesen; darumb nach der schwere dines handels mit mir nit versorget bist. Doch zum letsten, nachdem er sich nit witer ußreden mocht, hat er bewilliget, onangesechen ainicherlai besoldung, so fer man sich an sinem fliß und ernst welle vermuogen lassen. Do nun Huldrich vermeint mit ainem guoten, geschickten schriber versechen sin, ließ er ainen tag ernennen gen Memmingen, den handel zuo beratschlagen."

Auf einem Feld unweit der Reichsstadt Ulm kommt es am 27. Februar zu einer ersten Begegnung der dort versammelten Bauern (unter Führung Huldrich Schmids von Sulmingen) mit Gesandten des in Ulm versammelten Schwäbischen Bundes. Wenig später - wohl zwischen dem 28. Februar und dem 3. März - fasst Sebastian Lotzer, Schreiber des Baltringer Haufens und Memminger Bürger, die zahlreichen Beschwerden und Forderungen zu 12 Artikeln zusammen.

Dieses Konzentrat des bäuerlichen Aufbegehrens ("Dye Grundtlichen vnd rechten haupt Artickel, aller Bauerschafft vnnd Hyndersessen der Gaistlichen vnd Weltlichen oberkayten von woelchen sy sich beschwert vermainen") wird in kurzer Zeit in 25 Auflagen an 15 verschiedenen Druckorten (fast ausschließlich in den schwäbischen, fränkischen und thüringischen Aufstandsgebiet des Bauernkrieges) nachgedruckt, zu einem beispiellosen Manifest des Aufstandes und bisweilen auch zur Grundlage von Einigungen zwischen Obrigkeit und Untertanen.

Exemplar der Zwölf Artikel im Stadtarchiv Memmingen

Drucke der Zwölf Artikel (Auswahl aus VD 16)

Kurzinhalt der Zwölf Artikel

  1. Jede Gemeinde hat ein Recht zu Wahl und Absetzung ihres Pfarrers
  2. Der Kleinzehnt solle aufgehoben, der Großzehnt für Geistliche, Arme und Landesverteidigung verwendet werden.
  3. Die Leibeigenschaft solle aufgehoben werden
  4. Jagd und Fischerei sollen frei sein. Falls Verkäufe vertraglich belegt werden können, sollen einvernehmliche Regelungen zwischen Gemeinde und Rechtsinhabern angestrebt werden.
  5. Wälder und Forsten sollen in Gemeindehand zurückgegeben werden. Sollten Verträge bestehen, werden gütliche Vereinbarungen mit den Forstinhabern angestrebt.
  6. Die Frondienste sollen auf ein erträgliches Maß reduziert werden, orientiert an Herkommen und Evangelium.
  7. Außervertragliche Frondienste sind nicht zugelassen sein, es sei denn gegen eine angemessene Vergütung.
  8. Die Abgaben der Bauern sollen durch „ehrbare Leute“ neu eingeschätzt werden.
  9. Die Strafmaße für schwere Vergehen sollen neu festgesetzt werden, orientiert an älteren Gerichtsordnungen.
  10. Ehemalige Gemeindewiesen und –äcker sollen zurückgegeben werden, es sei denn, dass Kaufverträge vorgelegt werden können.
  11. Die Zahlung des Todfalles belastet die Erben ungebührlich und wird deswegen zukünftig verweigert.
  12. Alle Forderungen ergeben sich aus dem Wort Gottes. Sollten sie sich durch die Schrift als unberechtigt erweisen, sollen sie hinfällig sein.

Dritter Artikel der Zwölf Artikel: "Zu(o)m dritten ist der brauch byßher gewesen, das man vns für jr aigen leüt gehalten haben, wo(e)lchs zu(o) erbarmen ist, angesehen, das vns Christus all mitt seynem kostparlichen plu(e)tvergu(e)ssen erlo(e)ßt vnnd erkaufft hat, Den || hyrtten gleych alls wol alls den ho(e)chsten, kain außgenommen. Darumb erfindt sich mit der geschryfft, das wir frey seyen vnd wo(e)llen sein. Nit das wir gar frey wo(e)llen seyn, kain oberkait haben wellen. Lernet vnß gott nit, wir sollen in gepotten leben, nit yn freyem fleyschlichen mu(o)twilen, sonder got lieben, jn als vnserrn herren jn vnsern nechsten erkennen, vnnd alles das, so wyr auch gern hetten, das vnns got am nachtmal gepotten hat zu(o) ainer letz. Darumb sollen wir nach seinem gepot leben. Zaigt vnd weißt vns diß gepot nit an, das wir der oberkkait nit korsam seyen? Nit allain der oberkait, sunder wir sollen vns gegen jederman diemu(e)tigen, das wir auch geren gegen vnser erwelten vnd gesetzten oberkayt (so vns von got gesetzt) jn allen zimlichen vnd christlichen sachen geren gehorsam sein. Seyen auch onzweyfel, jr werdendt vnß der aigenschafft als war vnnd recht christen geren endtlassen oder vns jm euangeli des berichten, das wirß seyen."

Am 6. März kommen Bauernvertreter aus allen Teilen Oberschwabens (Allgäu, Bodenseeraum, Mittelschwaben) in der Memminger Kramerzunftstube zusammen. Auf der Tagesordnung steht das weitere Vorgehen gegen ihre Herrschaften und eine gemeinsame Verhandlungsposition gegen dem Schwäbischen Bund, dessen Vertreter in Ulm versammelt sind.

Teilnehmer

Bericht

Auszug aus der Sabbata des Johannes Keßler von Sankt Gallen: "Als man nun zuo Memingen in der cromerstuben nidergesessen und der oftgemelt Huldrich Schmid sin manung angends fürhaltend, allein dahin raichen, was Gottes wort erwise, des sentenz welle er geleben, nachkommen und nit witer tringen; an welchem etliche, und besunder die See- und Alpgöer buren, wenig gefallens truogend, sunder vermeintend kain bessers, dann nun dapfer mit dem schwert hindurch tringen. Ab sollicher ungestuomer hitz sind baid, der oberster und Sebastion, der feldschriber, noch betruobt, und mit wainenden ogen begert und gewüntsch, das sy mit kainem andren in etwas vertrag und bündtnus gestanden, sunder als im anfang ainig und besunder werend, so weltend sy ire ufruoreschen wol gemaisteren; darby gesprochen: ob man nit welt nach dem spruch gottlichen rechtens, sund(er) mit gwalt faren, wellen sy sich nichts witers undernemmen, sunder abston und widerumb haim ziechen. Hie ist och gesin gegenwürtig (als ich verston) zuo der zit der statt Memingen predicant, unser herr doctor Christophor Schappalar von Sant Gallen, und mit vil und manigerlai exemplen uß nüw und alt Testament vermanet, nichts ufruoresch mit dem schwert, sunder mit lieb und fründtschaft an die herren fürzenemmen, sunst werd die sach zum letsten (wie man spricht) zuo irem hus ußschlachen." Und weiter: "Demnach stund man unbeschlossner Sach; dann es war umb die 5. Stund nach Mittag, als das Nachtessen berait. Vermaintend der Oberste und Schriber, die See- und Alpgöer Buren welltend widerumb von inen abtretten, des si zuo wenig Kommer annomend; dann si uf si nicht angefangen hattend. Under dem Abendessen aber schicktend die gemelten See- und Alpgöer Buren, wie si der Sach ernstlicher nachbetracht, Botten an den Obersten und Schribern, wie das si nach irem Anschlag zu inen setzen wellend ir Lib, Er und Guot. Daruf bottend si zu baiden Tailen ainandren die Hend und wuntschend ainandren Glück darzuo und Hail. Nach sollicher Verainbarung verfasstend si anhellig die Artikel in Geschrift, sampt den Stätten und Personen, so zu Richter erkiest und ernempt; welche ganz vollendet und beschlossen uf zechenden Tag Merzens, demnach in gemainem Truck geoffenbaret."

Am 7. März 1525 wird die Memminger Kramerzunftstube zum Ort eines historischen Ereignisses: Die versammelten Bauernvertreter schließen sich zur „Christlichen Vereinigung“ zusammen und geben ihrem Bündnis mit einer Bundesordnung Struktur und Stabilität.

Die Bundesordnung, ergänzt um eine Landesordnung, um Schwörartikel und eine Predigtordnung, trägt den Titel "Handlung und Artikel, so fürgenommen worden auf Aftermontag nach Invocavit (7. März) von allen Retten der Heufen, so sich zusamen verpflicht haben in dem Namen der heiligen unzerteilten Dreieinigkeit." Und weiter heißt es in einem Entwurf gleich eingangs: "Dem almechtigen, ewigen Vater zu Lob und Er, zu Eruffung des heligen Ewangeliums und gotlicher Warheit, auch zu Bistand der gotlichen Gerechtigkeit ist ein cristenliche Vereinung angefangen, und niemantz, er si geistlich oder weltlich, zu Verdruß ode Nachteil, sondern so vil das helig Ewangelion und gotliche Recht uswiset, inhalt und anzeigt, zu Merung und Widerbuwung bruderlicher Liebe."

Insgesamt 11 Drucke der Bundesordnung sind bekannt, dazu 10 handschriftliche Überlieferungen, die sich sprachlich und inhaltlich voneinander unterscheiden.

Drucke der Bundesordnung (Auswahl aus VD 16)

Nach einer weiteren Versammlung (wohl am 15. März in Memmingen) wurde die Bundesordnung am 19. März samt einer Liste von Richtern (Theologe) zum Schwäbischen Bund nach Ulm geschickt. Es folgten eine weitere Versammlung in Memmingen (möglicherweise am 22. März) und Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund, die am 25. März zu einem Waffenstillstand führten, der bis zum 2. April gelten sollte. Da aber die Bauern die Annahme eines vom Schwäbischen Bund ausgehandelten Vorschlages letztlich ablehnten, blieben die Verhandlungen letztlich erfolglos.

Landesordnung und Teilnehmerverzeichnis (Edition von Cornelius)

Den Verlauf der Sitzung hat Johannes Kessler in seiner Chronik von Sankt Gallen, wohin Sebastian Lotzer und Christoph Schappeler flohen, beschrieben: Es kam zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Baltringer Haufen unter der Führung des Ulrich Schmid, die zu gewaltfreien Aktionen aufriefen, und den Bauern vom Bodensee und aus dem Allgäu, die „vermeintend kain bessers, dann nun dapfer mit dem schert hindurch tringen“. Schließlich gaben sich die Bauern trotz dieser grundlegenden Meinungsverschiedenheiten eine Regimentsordnung, verpflichteten sich untereinander zu Frieden und Ordnung und stellten Zutrinken, Spielen und Fluchen unter Strafe. Geistliche sollten künftig das Evangelium verkünden, aber keine Messe mehr lesen.

Kesslers Sabbata (Handschrift in der Vadiana, Sankt Gallen)

Kesslers Sabbata (Edition, S. 321 ff.)

Der Schwäbische Bund zeigte sich beunruhigt von den Vorgängen in Memmingen und wandte sich am 11. März an Bürgermeister und Rat der Reichsstadt: "Unns hatt glaublich angelangt, das die Hawffen der Aufrürigen Bawrn im Allgow vnd anndern ortten bey Ewerm Prediger in Ewer Statt taeglichs Raths suchen vnd nemen vnd so ettwie mit den Bawrn gehanndeltt, wann Sy darnach zu Ewerm Prediger komen, dasselbig widerumb vnd in weytter vnd erger weg gewenndt werde, darab wir mercklich missfallen tragen. Dieweil nu yetz in disen schweren loeffen nichtzit bessers were dann mit höchstem fleiss Frid vnd Ruw zu suchen vnd zu fürdern. So begern wir an Ewch günnstlich vnd freundlich. Ir wollend mit vermeltem Ewerm Prediger Reden, In vermoegen vnd sovil hanndeln, das Er sich der Bawren fürtter entschlahe Oder Sy auf den Friden vnd das Sy Iren Oberkaiten vnd Herrschafften schuldige vnd billiche gehorsame beweysen vnd thugen, bewege vnd lere."

Die Reichsstadt Memmingen lädt am 27. März die „obern [oberdeutschen/oberschwäbischen] Städte“ zu Beratungen nach Memmingen ein. Es erscheinen Vertreter aus Biberach, Kempten, Kaufbeuren, Wangen, Isny, Leutkirch, Pfullendorf in Memmingen; schriftlich äußern sich Überlingen und Ravensburg.

Nachdem Verhandlungen eines Ausschusses der Bauern (mit jeweils zwei Personen eines jeden der drei Bauernhaufens) mit dem Schwäbischen Bund in Ulm und den dorthin gesandten Städtevertretern Heinrich Besserer von Ravensburg und Gordion Sauter von Lindau ergebnislos verliefen, tauschten sich die Städte über ihr weiteres Vorgehen aus, da mit einer erneuten Bauernversammlung in Memmingen (zum 30. März) eine weitere Eskalation der Lage drohte.

"Dergleichen nimpt auch der paurn macht und stercke nit ab, sonder ye lenger, ye vester zu, und wirt dabey auch anzaigt und von etlicher baurschaft in den gemainen mann getragen: Wa die erbern stet dem bund ainich hilf mit gelt oder leut thüen, da sie dann die ersten sein müßen, die sie uberziehen und verderben wöllen, dann sie bißher der erbern stet märckt besucht und ab, mit und von ainander ir narung und maist einkomens gehapt haben." (Auszug aus dem Städtetagsabschied). Man vereinbart, den "ufrürischen baurschaft, (die) die stet umb beschützung und hanthabungzu recht angeruft" mit Ratschlag als "unparteysch richter" beizustehen. Man werde "ain solh cristenlich, pillich und allen tayln leidlich erkantnuss und einsehen thun, damit die oberkaiten und ire unterthanen zu ruw und friden komen." Bis zu einem weiteren Treffen (vorgesehen für den 31. März) solle "yede statt gute, haimliche kuntschaft mit vleis zu den baurn machen und bestellen, welchen dann die haufen der baurn am nechsten gelegen, und vernemen, wes gemuets oder willens sie seyen, und ob sie den ersten obbestimpten anlaß zu oder abschreiben wöllen, und was ein yede stat hierinn erfert, das sol ir gesandter auf nechsten tag mitbringen." (Baumann, Franz Ludwig: Akten zur Geschichte des Bauernkriegs, Freiburg, 1877, S. 169-172)

Während die Bauernvertreter in einer dritten Versammlung in Memmingen ihr Vorgehen besprechen, ist die „Revolution des gemeinen Mannes“ in Schwaben, Franken, Tirol und im Elsass bereits im Gange. Im Umfeld Memmingens lagern zahlreiche Bauern; in der Region kommt es zu ersten Plünderungen von Klöstern und Burgen.

So mancher Memminger Bürger sympathisierte mit den Anliegen der Bauern. Als auch schwere Geschütze an die Bauernhaufen geliefert werden sollten, äußerte der Rat sein Befremden. Mittlerweile plünderten Bauernhaufen die Klöster Ottobeuren, Roggenburg, Ochsenhausen, Schussenried, Zwiefalten und viele andere Orte – die zahlreichen Burgen der Ritter miteingeschlossen.

In der Schlacht bei Leipheim erlitt der Allgäuer Bauernhaufen am 4. April hohe Verluste; anschließend wurden viele umliegende Dörfer vom Heer des Schwäbischen Bundes unter dem Kommando des Feldhauptmannes Jörg Truchsess von Waldburg geplündert. Am 8. April versuchten Baltringer und Grönenbacher Haufen vergeblich, die Reichsstadt Memmingen zu überrumpeln. Am 10./11. April übergab der Kempter Abt seine Burg Liebenthann an den Knopf von Leubas. Der Allgäuer Haufen zog weiter zum Stift Kempten (später nach Füssen und in Richtung Leutkirch und Isny), vereinigte sich mit dem Ottobeurer Haufen, um Burgen im bayerischen Schwaben einzunehmen.

Längst sind die Verhandlungen zum Scheitern verurteilt. Als Hauptmann aller Bauernhaufen wendet sich Ulrich Schmid nochmals an die Städtevertreter im Schwäbischen Bund. Dieser besteht auf der Huldigung der Untertanen und der Wiederherstellung des Status ante quo für mindestens ein halbes Jahr.

Am 12. April nahm das Heer des Schwäbischen Bundes Baltringen ein und zog nun schnell weiter nach Süden gegen die Allgäuer und Seebauern; es sollte verhindert werden, dass diese sich ins Gebirge zurückziehen. Mit der Forderung des Bundes an die Bauern, "Alles, das so wie bisher gedienet und den Herrn mit Leib und Gut vervolgen, ein halb Jar zuthun" beschäftigte sich drei Tage nach Palmsonntag eine Versammlung der Bauern zu Kirberg; mit der Bitte um Meinungsäußerung (und Beistand) wandte sich Ulrich Schmid an die oberschwäbischen Städte. Doch ein Waffenstillstand rückte in weite Ferne.

Bei Wurzach gelingt es Jörg von Waldburg am Karfreitag, 14. April, die Bauern am dortigen Leprosenberg zu schlagen. Am Ostermontag wird  zu Weingarten ein Vertrag geschlossen, den große Teile der Bauern annehmen. Mit ihm soll die hergebrachte Ordnung wiederhergestellt werden.

Nach der Schlacht verzichtete Jörg von Waldburg auf Hinrichtungen, bestand aber auf einem Verbot des Waffentragens. Der Vertrag zu Weingarten, wohin sich viele Überlebende zurückzogen, regelte die Wiederherstellung der Ordnung und die Rückgabe geraubten Gutes; einige Haufen übergaben dem Truchsessen Geiseln. Für den 19. April war vorgesehen, die Vertragsinhalte auch mit den Augsburger und Kempter Bauern sowie denen der Herrschaften Trauchburg und Grönenbach zu verhandeln. Während die Seebauern, der Unterallgäuer Haufen und schließlich auch die Bauern zwischen Lech und Wertach den Vertrag annahmen, konnte der Knopf von Leubas seine Gefolgsleute davon überzeugen, dass mit einer Beseitigung der bäuerlichen Beschwerden nicht zu rechnen sei.

Vertrag zu Weingarten (mit Vorrede/Vermahnung Martin Luthers, Landesbibliothek Coburg)

Präambel des Vertrags: "Als die Untertanen am Bodensee, auch im Algew uber und widder die Guolden Bull, der römischen und keiserlichen, hispanischen königlichen Maiestat, Churfürsten, Fürsten und anderer Stende des heiligen Reichs Reformation und aufgesetzten Landfriden durch ein Conspiration ein Pündtnus zusamen geschworen und sich drauf von ihren Herren, Junkhern und Obern abgeworfen, darzu etlichen derselben ihre Schloß, Flecken, Dörfer und Heuser gewaltiglich eingenomen, zum Teil verprent, auch etlich geplündert, ihr Diener, auch ander die Ihren gedrungen, ihnen zu schweren und Huldung zu tun, und damit Kriegs Empörunge im heiligen Reich auferweckt haben, dadurch denn die rö. kai. und his. kö. Ma., Churfürsten, Fürsten und ander Stende des löblichen Punds zu Schwaben den uberzognen und beschedigten ihren Pundtsverwanten gepürlich Hilf, Schutz und Schirm zu beweisen, auch tätliche Gegenwer furzunemen verursacht, und Todschleg, Brand und Nam, Verehrung Land und Leute daraus erwachsen."

Mit Paul Höpp bekennt sich ein Lateinschullehrer solidarisch mit den Anliegen der Bauern. Der Anhänger einer Reform des Kirchenwesens in der Reichsstadt Memmingen ergreift Partei für die Bauern und fordert gegenseitigen Gewaltverzicht.

Als ein falscher Alarm - Georg Truchsäss von Waldburg sei dem Truppen des Schwäbischen Bundes nach Memmingen unterwegs, und ein von Bauern aufgefangener Brief des Rates nach Mindelheim - für Aufregung und Unruhe sorgte, bat Lateinschulmeister Paul Höpp den Rat um Verzicht auf Repressalien. Nach den Ratswahlen am 1. Mai wiederholte sein Anliegen. Im Rat sorgte Höpps Eingabe für "groß erschrecken und mißfallen". Der Rat verstärkte nun seine Sicherheitsvorkehrungen, um zu verhindern, dass bewaffnete Bauern in die Stadt gelangten.

Philip L. Kintner portraitierte Paul Hoepp 1969 folgendermaßen: "Paul Hoepp, Lateinschulmeister. Er verfaßte die "lutherische" Flugschrift, die im Juli 1523 Megerich ausgehändigt worden war und den Rat am 5. Mai 1525 herausgefordert hatte. Als Intellektueller stand er abseits von den wirtschaftliche orientierten Ständen und war daher freier im Handeln wie auch erheblich höher gebildet als jeder andere mit Ausnahme von Schappeler. Nachdem Lotzer die Stadt verlassen hatte, um Feldschreiber bei den Bauern zu werden, und Schappeler sich im April gegen die Radikalen gewandt hatte, zeigte sich Hoepp als Wortführer, obwohl er vermutlich kein Anhänger von Gewalttätigkeiten war." (Memminger Geschichtsblätter 1969, S. 21)

In einer ersten Flugschrift bezieht Martin Luther Stellung zu den Zwölf Artikeln der oberschwäbischen Bauern. Er warnt die Obrigkeiten vor Missbrauch ihrer Herrschaft und zeigt Verständnis für einige Forderungen der Bauern. Das Evangelium sei allerdings nicht Rechtsgrundlage einer neuen Gesellschaftsordnung. Als der Konflikt eskaliert, befürwortet Luther eine Bestrafung der aufständischen Bauern durch ihre Herrschaften.

Zusammen mit Philipp Melanchthon weilte Martin Luther am 19. und 20. April in Eisleben zur Errichtung einer Gelehrtenschule. Vermutlich hier arbeitete er an der "Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben: Es hat die Baurschafft / so sich itzt ynn Schwaben land zu samen geworffen / zwelff artickel von yhren untregglichen beschwerungen gegen die oberkeyt gestellet / und mit etlichen sprüchen der schrifft furgenomen zu gründen / und durch den druck lassen ausgehen. Ynn wilchen myr das auffs best gefallen hat / das sie ym zwelfften artickel sich erbieten / besser unterricht / wo es mangelt und von nöten were / gerne und williglich anzunemen und sich wöllen weysen lassen / so ferne dasselbige / durch helle / offentliche / unleugbare sprüche der schrifft geschehe / wie denn billich und recht ist / das niemands gewissen weytter odder anders / denn mit göttlicher schrifft / unterricht und geweyset werde."

In dieser Flugschrift, die mit 19 Drucken eine sehr hohe Verbreitung fand, wandte sich Luther gegen alle Gewalt und gegen die Berufung auf göttliches Recht zur Erlangung weltlicher Freiheit: "Das kann niemand leucken, das unsere Baurschaft gar kein rechte Sache hat, sonder mit trefflichen, schweren Sunden sich beladen und Gottes schrecklichen und untreglichem Zorn uber sich erwecken damit, das sie Treu, Hulde, Eide und Pflicht, so sie ihrer Oberkeit getan und geschworn haben, brechen und in Ungehorsam fallen, sich widder die Gewalt, von Gott verordnet und gebotten, frevelich setzen, sich selbs rechen und das Schwerd nemen mit eigenem Frevel und Turst, so doch Gott will die Gewalt gefurcht und geehret haben, ob sie gleich heidenisch were und eitel Unrecht tette, wie sie Christus selbs in Pilato, seinem unrechten Richter und Creuziger, ehrete. Aber die Baurn haben nicht gnug dran, das sie so treulos, meineidig, ungehorsam und frevelich widder Gottes Ordnung toben, sondern auch plündern, rauben, nemen, wo sie mügen, als die offentlichen Strassenreuber und Mörder, die den Landfriede und Hauswehre verstören. Und das noch das aller ergest ist, solch wütiges Toben und so greuliche Laster under dem christlichen Namen und Schein des Evangelii treiben, damit sie Gottes Namen aufs aller höchst schenden und lestern, gerade, als hette Gott Lust und Gefallen an den Treulosen und Meineidigen (wilche man sonst auch Verrheter und Böswicht heist) und an offentlichen Reubern und Mördern und Gottslesterern.

Flugschrift Martin Luthers "Ermahnung zum Frieden" (20. April 1525, Bayerische Staatsbibliothek)

Die sog. "Weinsberger Bluttat" am Ostersonntag, 16. April 1525, fand innerhalb weniger Tage überregional große Aufmerksamkeit. In einer Memminger Chronik ist zu lesen: „Es ist auch graff Ludwig von Helffenstein von den auffrüerischen Bauren durch die Spies geiagt worden vnd sampt anderen von jnen ermordt, sein gemahel war den Bauren zue fues gefallen vnd hat jer kleines Sönlein in den Armen getragen vnd flehenlich für jeren heren gebetten, aber sie kundt nichts erhalten.“

Diese Eskalation des Konfliktes vor Augen warf Martin Luther - wohl am 6. Mai - den Bauern in seiner Flugschrift "Wider die mordischen und reubischen Rotten der Bawren" einen Bruch ihres Gehorsamseides, Mord und Raub sowie Missbrauch des Wortes Gottes vor und ermunterte die von Gott eingesetzten Obrigkeiten, ihre Untertanen zu bestrafen: "Drumb, lieben herren, loset hie, rettet hie, helfft hie. Erbarmet euch der armen leute. Steche, schlahe, würge hie, wer da kann, bleybstu drüber tot, wol dyr, seliglichern tod kanstu nymer mehr uberkomen. Denn du stirbst ynn gehorsam göttlichs worts und befehls Ro. am 13. und ym dienst der liebe, deynen nehisten zurretten aus der hellen und teuffels banden." Gegen den Vorwurf der Unbarmherzigkeit wehrte sich Luther wenig später mit einem "Sendebrieff von dem harten buchlin widder die bauren".

Flugschrift Martin Luthers "Wider die mordischen Rotten" (6. Mai 1525, Bayerische Staatsbibliothek)

Ausführlich beschäftigt sich Philipp Melanchthon mit den Zwölf Artikeln der oberschwäbischen Bauernschaft, nachdem zuvor bereits Martin Luther Stellung bezogen hat.

Auf Bitten des Kurfürsten Ludwig von Pfalz (am 18. Mai 1525) verfasste Philipp Melanchthon ein Gutachten gegen die Forderungen der Bauernschaft; als Flugschrift ging es einige Tage nach Luthers Stellungnahmen und der Niederschlagung des thüringischen Bauernaufstandes in Druck. Melanchthon befasste sich eingehend mit allen Artikeln und forderte Gehorsam gegenüber der Obrigkeit "obschon auch Fursten ubel tuen". Mit ihrem Aufruhr handelten die Bauern - so Melanchthon - "offentlich widder Gott, das man greifen mag, das sie der Teufel treibt."

Flugschrift Philipp Melanchthons  (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt)

Philipp Melanchthon zum Dritten Artikel der Zwölf Artikel: "Auf den 3. Von Leibeigenschaft. Es ist auch ein Frevel und Gewalt, das sie nicht wollen leibeigen sein. Das sie aber Schrift anziehen, Christus hab uns frei gemacht, ist geredt von geistlicher Freiheit, das wir gewiß sind, das durch ihn unser Sund, on unser Gnugtun, weg ist genomen, und das wir khonlich [kühn] uns zu Gott Guts turfen versehen, bitten und hoffen, und das Christus den Hailigen Geist den Seinen gibt. Dadurch sie dem Teufel Widderstand tuon, das der Teufel sie nicht in Sund werfen mag wie die Gottlosen, deren Herzen er in seiner Gewalt hat, treibt sie zu Mort, Eebruch, Gottslesterung etc.; und steht im Herzen christlich Freiheit. Sie lest sich nicht mit fleischlichen Augen sehen. Eusserlich tregt ein Christ dültiglich [duldsam] und frolich alle weltlich und burgerlich Ordnung und braucht dere, als Speis und Kleider. Er kan leibeigen und untertan sein, er kan auch edel und ein Regent sein, er kan sich Saxischer Recht oder Romischer Recht in Brauch und Teilung der Gutter halten. Solch Ding irret als den Glauben nicht. Ja, das Evangelium foddert, das man solche weltliche Ordnungen um Fridens willen halte. Paul ad Eph 6: Ir Leibeigne seit eurn leiblichen Hern gehorsam, mit Forcht und Zittern mit willigem Herzen, als Christo, nicht mit Dienst allein fur Augen, als den Menschen zu gefallen, sonder als Diener Christi, und tuet solchen Willen Gottes von Herzen, freuntlich etc. Und ad Coloss. 3: Ir Leibeigne seit gehorsam in allen Dingen euern leiblichen Herrn etc. Wer Unrecht tuet, wirt empfahen, was er Unrecht tan hat. Also ist Joseph selb ein Leibeigner in Aegypto langezeit gewesen, und andere Hailigen vil. Darumb hat das Zumutten der Baurn kein Schein. Ja es wer von Nötten, das ein solch wild, ungezoge Volk als Teutschen sind, noch weniger Freiheit hette, dann es hat. Joseph hat Aegypten hart beschwert, da dem Volk der Zam [Zaum] nicht zu weit gelassen wurde. Aber unsere Herrschaften gestatten dem Volk allen Muttwillen, nehmen nur Gelt von ihm, daneben halten sie es in keiner Zucht, daraus volgt grosser Unradt."

Der Allgäuer Haufen sieht sich nicht an den Weingartner Vertrag gebunden und zieht gegen das Herzogtum Bayern. Am 22. Mai bittet die Reichsstadt Memmingen den Schwäbischen Bund um militärischen Schutz.

Zu Füssen verhandelten 47 Bauernvertreter des oberen und niederen Allgäu (u.a. von Heimertingen und Babenhausen) mit Vertretern des österreichischen Erzherzogs, unter anderem wegen Meinungsverschiedenheiten zum Geltungsbereich des Füssener Vorvertrages; doch die Verhandlungen scheiterten, worauf sich der Memminger Rat auf einen weiteren Waffengang einstellte.

Christoph Schorer fasste die Ereignisse des Bauernaufstandes in seiner 1660 zu Ulm gedruckten "Memminger Chronik" folgendermaßen zusammen (S. 64-67): "Dieses 1525. Jahr war voller Unruh / gefährlich vnd beschwerlich. Dann am Freytag nach Ostern war hier ein Aufflauff / auß folgender Ursach oder Gelegenheit. Es hatte ein Rath wegen so gefährlichen Zeitung vnd Empörungen der Baurschafft / dreyhundert Männer auff der Gemeind erwehlet / welche am Grünen Donnerstag vor diesem Auflauff gemustert worden / damit man im Fall der Noth / vnd so man sich vor den Bauren etwas zu befahren hätte / gleichwol in etwas gerüstet were. Was geschicht. Am gedachten Freytage nach Ostern kam in der Stadt ein Geschrey auf: Es komme der Truchseß als deß Schwäbischen Bunds Oberster. Alsbald wurden die Thor verschlossen / vnd den 300. Männern vmbgeschlagen / mit ihren Waffen vor dem Rathhauß zu erscheinen / welches auch geschahe. Da sie nun also versamlet waren / wolten sie wissen / wer Freund oder Feind were. Da ward ihnen vom Rath gesagt: Man wisse von keinem Feind / es seye nur angesehen / wann sich gehling etwas erheben solte. Unter dessen kam ein ander Geschrey auß / Es hätten die Bauren / so zu Angelberg versamlet / einen Brieff an die Gemeind allhier geschrieben / und ein Rath hätte ihn / welcher ihnen auff Begehren auch gegeben vnd vorgelesen ward / der sich aber auff einen Brief referirt / den die Stadt nacher Mindelheim an die Gräfin von Freundsperg abgehen lassen / den Bauren aber zugekommen vnd von ihnen aufgefangen worden: Als nun die Burger solchen auch haben wolten / vnd ihnen die Copey vorgelesen war / fand sichs / daß er dem Original nicht gleichete. Darauff sich ein grosser Lermen erhebt / daß die Räth sich vom Rathhauß auf die Kramer-Zunfft begaben / vnd alsbald allen Zünfftigen geboten, bey ihrer Ehr vnd Eyd mit dem Gewehr jeder vor seiner Zunfft zu erscheinen. Da dieses geschehen / liessen die 300 außerlesene Burger vnd schlagen / vnd in der ganzen Stadt außruffen / welcher dem Evangelio beystehen / vnd die Warheit verthädigen wolle / solle zu ihnen auff den Marckt kommen. Da versamleten sich auff die 900 Männer / das andere Volck war jedes bey seiner Zunfft. Worauff der Hauff auff dem Marckt vor Rath schickte / zu bitten / daß man die ganze Gemeinde an einem Ort zusammen kommen lasse / welches auf dem Marckt geschahe / vnd wurden daselbst zwey vom Rath / Hanß Keller vnd Hanß Heiß / vnd drey von der Gemeind / Lutz Löchlin / Gregorius Schlosser / vnd Hanß Seyfrid erwehlet / den Brieff / welchen die Bauren aufgefangen / bey ihnen zu holen: Am S. Jörgen Tag kamen sie wiederumb / vnd brachten deß Brieffs Abschrifft / welche in S. Martins Kirchen der Gemeind / durch M. Paulus Lateinischen Schulmeister offentlich vorgelesen war: Zuvor aber tratte Eberhard Zangmeister auff die Cantzel / und erzehlte der Gemeind / wie es mit diesem Brieff hergangen / nemblich / daß etliche deß Raths solches zwar auß keiner bösen Meynung gethan / vnd were der Brieff durch die Feder daß außgestrichen worden. Er nennete aber niemand / doch kam Hanß Keller alter Burgermeister / Ulrich  Zwicker / Valentin Funck / vnd der Stadtschreiber in den Verdacht. Da begehrte die Gemeind / daß von jeder Zunfft 2 erwehlet wurden / ihre Beschwerden zusammen zu tragen / vnd einem Ehrs. Rath vorzubringen / ward auch erlaubet. Unter dessen gieng immer ein Wetter vmb / brach doch nicht auß bis nach Pfingsten. Am Montag nach dem Auffahrtstag / that Licentiat Schappler seine letzte Predigt / vnd verhieß ihme ein Rath / ihn zu sichern an Leib vnd Gut. Aber der Bund wolte ihn mit Gewalt haben / dann er in Verdacht kommen / als were er Vrsach an der Bauren Auffuhr vmb die Stadt herumb / deßwegen ihne die Stadt / als die ihn vnschuldig gewust / weg vnd nachher S. Gallen in sein Vatterland verschicket. Darauff brach das Wetter völlig auß. Dann als die Bauren vmb Oxenhausen vnd Ottenbeuren sich je länger je mehr empöreten / vnd ihrer viel allhier auß vnd einzogen / vnd ein Rath besorgte / es möchte die Burgerschafft von ihnen auch angestecket / vnd das glimmende Dacht gar angezündet werden / ward vor gut angesehen / daß man neben Hansen Kellern alten Burgermeistern / auch Conrad Oeten / Hanß Heissen / Jacob Ameissen / vnd Jörg Meurer Stadtschreibern / zu dem Bund nacher Ulm schickte / vmb zu bitten / 300 Mann hieher zu senden / die besorgliche Unruh in der Stadt zu verhüten / welches auch vom Bund bewilliget vnd die Hülff alsbald werckstellig gemacht worden. Wie dann Freytag nach Pfingsten / da der Rath beysammen saß / der Wächter auff dem Nidergasserthor hinauff kam / vnd anzeigte / er habe viel Volcks zu Roß vnd Fuß bey der Capell bey Amendingen herziehen sehen / dessen der Rath sehr erschrack / weil er den Hauffen so groß machte / dann sie nur vmb drey hundert Mann geschrieben. Es war aber hierauff alsbald der ganzen Burgerschafft mit ihrem Harnisch / Wehr vnd Waffen auf den Marckt zu kommen / vnd allda vor dem Steurhauß weitern Bescheid vo Ein Ehrs. Rath zu erwarten befohlen. In dem ordnet ein Rath Hanß Wißmüllern Burgermeistern / wie auch Eberhard Zangmeistern vnd den Stadtschreiber hinauß in das Feld / die Bundesgenossen von eines Erbaren Raths vnd der Gemeind wegen zu empfahen / sie zu bitten / sich freundlich mit den Burgern / dahin ein jeder eingelosiret werden solle / zu halten / dergleichen wurden die Burger auch thun. Darauff als sich die Hauptleuth / Sigmund von Berg / Diepold vom Stain / vnd Lienhardt von Gumpelsheim vnterredet / haben sie sich dieses Empfangs bedanckt. Als aber ihrer drey vom Hauffen in die Stadt geritten / vnd den Marckt mit Burgern in Harnisch vnd Wehr übersetzt gesehen / seyn sie eylends wieder zuruck gerennt / vnd das / was sie in der Stadt gesehen / den Hauptleuthen angezeiget / die nicht anders vermeynet / dann daß es wider sie angesehen / waren deßwegen mit den Herrn von der Stadt übel zu frieden. Die Herrn Abgesandte aber haben sie versichert / daß es Burger / vnd keine Aufrührische Bauren / vnd daß sie allein da stehen / die Bundsgenossen zu empfahen / wie sie dann von Einem Ehrs. Rath selbsten zu diesem Ende dahin beruffen worden. Vnd zum Zeichen werden sie Ulrich Zwickern (welcher zuvor sich ein Zeitlang beym Bundt aufgehalten / vnd jetzt wiederumb sich hier fande) im ersten Glied auf der rechten Hand am fordersten finden. Darauf Sigmund von Berg herein geritten / zu sehen / ob dem also / vnd als er herein kam / sahe er Ulrich Zwickern / vnd stige ab / bot ihm die Hand / vnd gieng mit ihme auf das Steurhauß zu den Herren / sich mit ihnen zu vergleichen / wie die Soldate in die Stadt zu bringen vnd einzulosiren seyen. Also wurden zum ersten nur 100 Pferdt herein gelassen / die ritten auf den Marckt / vnd wurden in 5 Herbergen einlosirt / stiegen alsbald ab / legten ihre Büchse vnd Sättel hinweg / vnd zogen die Pferdt in die Ställ: Da die Burger sahen / daß kein Gefahr mehr vorhanden / war ein Ruff gethan / daß die Burger sich nacher Hauß verfügen / vnd seinem eingelosirten Knecht seine Nothturfft geben solle. Also gieng alles ordenlich her / vnd wurden die übrige eingelassen / daß 200 Pferd vnd 700 zu Fuß vom Bundt herein kamen. Da dann der Schwäbische Bund / auf Begehren der Stadt / alsbald vnter jedes Thor 2 Rotten Knecht verordnet / auch andere auf die Mauren / Tag vnd Nacht allda zu wachen / also daß welcher Burger zuvor nicht davon kam / wie dann ihrer 40 entwichen / jetzunder nicht mehr entrinnen konte. Nach dem nun deß Schwäbischen Bunds Volck herinnen lag / fienge man am Sambstag darauf 5 Burger / davon hernach etliche gerichtet / etliche verbannet wurden / dann ihrer etliche mit den Bauren unter der Decke gelegen / vnd wider die Obrigkeit conspirirt, daßwegen sie hernach ihren verdienten Lohn bekommen. Worbey Burger vnd Unterthanen zu mercken vnd zu lernen haben / daß Aufruhr vnd heimliche Anschläg wider die Obrigkeit niemalen gut gethan / sondern die Anfänger derselben jederzeit dapfer gestraffet worden. Wann es schon bey der Obrigkeit nit allezeit daher gehet / wie es dem gemeinen Mann (der manchmal nicht versteht / was er redet oder vrtheilt) gefällt / so ist man doch schuldig / auch den wurderlichen Herrn / nach Göttlichem Befehl / zu gehorchen."

Am 9. Juni rücken Truppen des Schwäbischen Bundes unter dem Kommando von Diepold von Stein, Eitelhans Sigmund von Berg und Linhard von Gundelsheim in Memmingen mit 200 Reisigen und 700 Knechten ein. Christoph Schappeler und weitere 40 Bürger (darunter Sebastian Lotzer) können gerade noch rechtzeitig aus der Stadt fliehen.

Die Bundestruppen standen unter dem Kommando von Diepold von Stein, Eitelhans Sigmund von Berg und Linhard vo Gundelsheim. Zum Einmarsch des Schwäbischen Bundes in Memmingen vermerkt die Weißenauer Chronik: "Am morgen fru vor tag [9. Juni] umb zwey zugen der reysug zewg mit sampt den fußknechten auß gen Memingen. Am suntag darnach [11. Juni] fueng man trey daselbst, schlug ynen die kepf auf dem marckt oder platz ab, ließ die körper daselbst buß an den montag lugen, darunder waß ayner schulmaister, hett offenlich ketzerische lere predigt auf dem marckt. Der recht prediger und zwen helfer die wurden undergeschlagen und verborgen, die kamen davon, eß solt mer leyt kostet haben an dusem tantz." (Franz Ludwig Baumann: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Schwaben, Stuttgart 1876, S. 100)

Zwei Tage nach dem Einmarsch wurden wurden drei Personen auf dem Marktplatz hingerichtet:

  • Paul Hoepp, Lateinschulmeister,
  • Adam Bechtinger, Maurermeister,
  • Hans Lutz, Gastwirt.

Zwei weitere Hinrichtungen fanden am 4. Juli statt:

  • Georg Lamprecht, Barbier,
  • Georg Teufel.

Auszug aus der Weißenhorner Chronik: "Wie die von Memingen geschworen habent. Emalß und die bundischen gen Memingen kamen, bedorft kain briester meß halten, dan theutz, ach kein vigily haben, was ain grosse wuderwerdikeyt. Da aber der hauptman Diepold von Stain zu Matzensies, mit sampt andren bundischen machten auf ain news ordnung, mußten rat und gemaind dem schwebuschen bund schwerden, den alten, waren, rechten, cristenlichen glaben wuderumb anzunemen und halten, wie vor alter. Eß entliefen ach ful burger auß der statt, wollten irem newen glaben nit vertrauen, desgleichen briester. y haben das folck ellentclich verfiert, um sel, leib, er und gut bracht. Umb sant Jacobs tg [25. Juli] haben die briester wuderumb angefangen, meß und vigily ze halten. Die Heyliggayster im spital fuelen gar vom creutz, vergassen irs ordens schantlich doch fuengen sy ach wuderumb an den alten prauch. Am montag nach visitationis Marie [3. Juli] schlug man ihren zwayen die köpf ab, waren burger, und sunst zwayen pauren, der ain ist von Perckhain gewesen. Darnach schlug man dem schmid von Erckhain zu Mengingen den kopf ab, schlug zwen pauren mit ruten auß, waren Adams von Stain zu Ronsberg." (Franz Ludwig Baumann: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Schwaben, Stuttgart 1876, S. 100-101)

Memmingens Reformator Christoph Schappeler gelang es, nach Sankt Gallen zu fliehen, wie dort Johannes Kessler in seiner Chronik vermerkt: "Die anderen, wo sy mochtend, schwingtend sich durch minugerlai wis und weg uß der statt; vil verburgen sich hinder guote fründ und günner, als doctor Christopher Schappaler, dem sy am ufsetzigesten nachtrungend. Er aber, durch ainen guoten fründ gewiglet, hat sich bloß mögen uss siner gutschen (darinn er zuo der zit krank lag, wie er mir selbst gesagt) in des selbigen hus verzucken, das die Bündteschen, so in gnaw suochtend, nach das warm gelegener fundend; und nach etlichen tagen durch hilf guoter günner haimlich in aines anderen person vermeint uß der statt geflocht und zuo uns her gen Sant Gallen, sin vatterland, komen, sampt vil anderen guoten burger von Memmingen und ab anderen enden, so uß unhuld irer herren entwichen und by uns ufenthalts und sicherung ires lebens verhofftend; wie dann sy von ainer oberkait und gemaind früntlich geduldet und ufgenommen sind."

Als etwa 20.000 Bauern am 12. Juni Memmingen einschließen, erteilt der Schwäbische Bund seinem Hauptmann Jörg Truchsess von Waldburg den Befehl, gegen die Bauern zu ziehen.

Mit der Belagerung Memmingens spitzte sich die Situation zu. Die Bauern – unter ihnen Legauer, Altusrieder, Grönenbacher Haufen und Haufen auf der Wurzacher Heide - lagerten in Amendingen, Benningen und Berkheim. Jörg von Waldburg – zu dieser Zeit mit seinen Truppen im Fränkischen - begann seine Truppen, wohl 6000 Knechte und 1500 Reisigen, nach Süden zu verlegen. Mit der Reichsstadt Memmingen galt es ein Mitglied des Bundes zu befreien. Am 29. Juni befahl der Schwäbische Bund der Stadt, sich mit Nahrungsmitteln, Pulver und Blei zu versorgen und alles Hab und Gut von Feinden und Flüchtlingen zu beschlagnahmen.

Auszug aus der Kimpel-Chronik Dazu der Chronist und Stadttürmer Kimpel: „Vnd als sie mitlereweyl ein grosser Hauff aufrüerischer bauern umb die Stat versamlett, haben sie die Stat zum Sturm belegert, vnd etliche Wägen mit Laytteren zuo Hauff gefiert, vnd die Stat bey nacht ersteygen wellen vnd sie verlauten lassen, dass sie das Thuoch in gwandt läden mit langen Spiessen ausmessen wellen. Sie haben auch die spitaller wägen angefallen, welche auf die Millin wellen fahren, die fuorknecht nidergeschlagen vnd die Pferdt sampt den wägen hingefüert welches man auff dem Thurm gesehen, derwegen lermen gemacht, vnd sein vnsere reiter sampt hundert guotter schizen vnder die bauren hinaus gefallen vnd vill erschlagen, vnd inen die pferdt sampt den wägen widerumb genomen, es sein auch vill der bauren gefangen worden, die man hernach mit dem schwert gericht. In dem weyl sie in der belegerung dert Stat verharen, kompt herr Jörg Truchsess von waltburg oberster veldhaubtman mit Schwäbischen Bund, da fliehen die bauren vnd werden mier der Belegerung entlediget.“

Auszug aus der Weißenhorner Chronik: "Wie die pauren die stat Memingen belegert haben: Auf die zeyt versamleten sich ful pauren zusamen, belegerten die statt allenthalben in den nechsten dorfern, gruben ynen das wasser ab, des durch die statt rint, namen ynen die fliessenden prunnen, verlegten all strassen, liessen niement auß noch ein, namentz gefencklich an, das truben sy bey 14 tagen. Auf ain tag zugen die bündischen mit aynem klaynen zeug auß der statt, erstachen etwen ful pauren, namen ynen 17 wegen mit sturmlaytern. Die pauren mainten, sy wöllten die statt gewonnen haben." (Franz Ludwig Baumann: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Schwaben, Stuttgart 1876, S. 100)

Blutig endet der Bauernaufstand; Bundeshauptmann Georg von Waldburg verfolgt die fliehenden Haufen, kann sie bei Leubas entscheidend schlagen und ihre Rädelsführer hinrichten. Viele Tausend Bauern verlieren auf dem Schlachtfeld ihr Leben.

Am 9. Juli wurde Kettershausen geplündert, danach zahlreiche weitere Orte (Untereichen, Illereichen, Kellmünz, am 11. Juli Heimertingen). Ziel Jörg von Waldburgs war eine Vereinigung mit den 3000 Knechten des Jörg von Frundsberg bei Woringen. Die aufständischen Bauern zogen sich bis nach Wolfertschwenden zurück, um sich dort mit dem Allgäuer Haufen zu vereinigen. Am 13. Juli zog Jörg Truchsess von Waldburg mit seinen Reitern und Landknechten über Grönenbach und Wolfertschwenden nach Schrattenbach, wo ein Scharmützel mit 3000 Bauern stattfand. Bei Leubas schlugen die vereinigten Heere von Jörg von Waldburg und Jörg von Frundsberg das bäuerliche Heer. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, flohen viele nach Süden, mussten sich aber schließlich bei Sulzberg dem Schwäbischen Bund ergeben und ihren Herrschaften huldigen. Am 17. Juli wurden 18 Rädelsführer in Durach hingerichtet; am 21. Juli die Landsknechte des Bundesheeres entlassen.

Auszug aus der sog. „Mundartchronik“ (Stadtarchiv Memmingen): "Anno Domini 1525 in der Bauren Aufrur ist D. Christopfel Stapher Pfarer zu Memingen in Verdacht komen, das er in die selbige Gegend der Bauren Aufruor eregt, derwegen wir solche sein Unschuld der Burgerschaff zu Memingen bewuost, haben sie in ein Frieling, als die Bundsgenosen alda ettlich Aufrierische suchen lasen, in sein Vatterland Sant Gallen verschickh, und als sich mitlerweil ein großer Haufen Bauren versamlet, und die Statt Memingen zum Sturm belegert, jetz Herr Jerg Druchses von Waldburg Feldhabtman ain dem schwebischen Bundt der Statt zuenterung komen, die Bauren in Aumerdinger Feld veriagt unnd geschlagen. Als er in 7 in der Statt kepfen lasen und fielen anderen, so entronnen, irer gietter einziehen lassen, ist der den 13 Jule auß dem Leger bey Memingen aufgebrochen mit ettlichen Raisigen, den Bauren gen Schrattenbach nach geeilet unnd sie veriagt. etc."

Auszug aus der Kimpel-Chronik (Stadtarchiv Memmingen): „Darnach als er den 13. Julii aus dem Lager vor Memingen mit etlich Raissigen den Bauren gehen Schratenbach nacheillet, hat er sie alda vbel geschlagen vnd verjagtt. Es haben auch die von Memingen durch jere gesanten in dem Baurenkrieg neben anderen vill vnd heftig gehandlet zu Vlm vnd beym Bundt, darmit dise auffruehr mechs gestilt werden. Sie haben auch ein starckhe Besatzung in der Stat gehabtt, als 200 Reitter vnd ein fahnen Fuosknecht etc.“

Zur Chronik der Ereignisse im Allgäu siehe auch
Geschichte des Allgäus (von Franz Ludwig Baumann, Digitalisat der Bayerischen Staatbibliothek)

So manche Herrschaft verhandelt nach der Niederschlagung des Aufstandes mit den eigenen Bauern. Der Fürstabt von Kempten, Sebastian von Breitenstein, schließt am 8. Januar 1526 zu Memmingen einen Vertrag mit seinen Untertanen (u.a. von Grönenbach). Wenige Monate später legt der Reichstag zu Speyer die Grundlage für ein befriedetes Verhältnis von Herrschaften und Untertanen.

Im "Memminger Vertrag" wurden die hergebrachten Herrschaftsrechte des Fürstabtes zwar bestätigt, doch so manche Willkür durch die Fixierung von Abgaben und Gebühren verringert. Ab 1531 wurde der Vertrag bei der Reichsstadt Kempten in einer verschlossenen Kiste aufbewahrt.

"Und wiewol der gemein Mann und Untertanen in vergangener Aufruhr sich etwas schwerlich vergessen und gegen ihrer Oberkeit gröblich gehandelt" - so resümierte und beschloss der Reichstag zu Speyer am 27. August 1526 - "jedoch damit sie Gnade und Barmherzigkeit ihrer Obern grösser und milder dann ihre unvernünftig Tat und Handlung spüren mögen, so soll ein jede Oberkeit Macht und Gewalt haben, ihre Untertanen, so sich in Gnad und Ungnad begeben und gestraft worden sind, nach Gelegenheit und ihrem Gefallen wiederum in vorigen Stand ihrer Ehren zu setzen, zu qualificiren und geschickt zu machen, Rat und Gericht zu besitzen, Kundschaft zu geben und Amt zu tragen, darzu sie und andere in ihren Anliegen und Beschwerden jederzeit gnädiglich zu hören und nach Gestalt der Sachen gnädiglichen und förderlichen Bescheid zu geben, sie auch durch sich selbst, ihre Amtmann, Schultheissen und andere Diener nicht unbillich beschweren, sonder welcher Recht leiden mag, dabei bleiben zu lassen." Und weiter zur Leibeigenschaft: "Item der gemein Man beclagt sich, daß ime an vill Orten von seinen Herschaften ein freier Abzug abgeschlagen und daß si fur eigen Leut, die an dem Ort, do si emporen, bleiben mussen, gehalten; und so einer oder eine sich mit einem andern verheirat, der nit auch seiner Herschaft zustunde, werde er oder sie darumb gestraft. Nota der Leibeigenschaft ist es in Bedenken der Herren gestelt, wi es damit gehalten werden solle, dergleichen wi es mit dem Heirat der Leibeigen gehalten werden solle. Item, daß diejhenen, so hievor frei oder freizugig gewesen, nit weiter leibeigen gemacht werden, und besunder aus Ursachen der vergangen Ufrur. Item ob nit Mittl zu finden weren, wie sich die Leibeigen abkaufen mochten."

Memmingen - ein Ort des Dialogs 1525

Das Programm der aufständischen Bauern des Jahres 1525, die Zwölf „Artikel aller Baurschafft vnnd Hyndersessen“ wurde in der damals freien Reichsstadt Memmingen formuliert. Als Grundlage ihrer Forderungen beanspruchten die Bauern nichts Anderes als „das Evangelium zu hören und dem gemäß zu leben“. In der Heiligen Schrift lasen Sie, „dass sie frei seien und sein wollen“. Um dieser Forderung Ausdruck zu verleihen, versammelten sich 50 Vertreter der aufständischen Bauern zwischen Donau und dem Bodensee am 6. und 7. März 1525 in der Stube der Memminger Kramerzunft, um schwierige Fragen zu lösen und eine „Christliche Vereinigung“ zu gründen.

Nicht ohne Grund wurde Memmingen von den Aufständischen zum Versammlungsort gewählt. Die Stadt hatte sich in Oberschwaben, dem Rekrutierungsfeld der revoltierenden Bauern einen Namen gemacht. In der damals allgegenwärtigen Auseinandersetzung um den rechten Glauben und das rechte Leben galt die Stadt als progressiv. Hier hatte der Prediger Christoph Schappeler dafür gesorgt, dass sich ab 1523 reformatorisches Denken durchsetzte. Memmingen war für die Aufständischen ein sicherer Platz und versprach Zugang zu schriftkundiger Hilfestellung. Neben Schappeler war es der Memminger Bürger Sebastian Lotzer, der die Bauern in den Memminger Dörfern unterstützte. Lotzer vermittelte einen für Reichsstadt und Bauern akzeptablen Kompromiss. Persönlich tief von der Reformation ergriffen, gehörte er zum engsten Kreis um Christoph Schappeler. Deswegen wandte sich der Kommandant des Baltringer Haufens Ulrich Schmid auf der Suche nach einem Feldschreiber an ihn. So schlüpfte Sebastian Lotzer in der Rolle eines Protokollanten für das Memminger "Bauernparlament" und gilt als Redakteur der Zwölf Artikel. In nur zwei Monaten erschienen 28 Drucke in nahezu allen namhaften Orten des Reiches. Über 25.000 Exemplare wurden im gesamten Aufstandsgebiet der Bauern verteilt. Die Forderungen wurden in den anderen Aufstandsgebieten übernommen und um regionale Beschwerden erweitert. Keine andere Flugschrift dieser Zeit hat den auf dem göttlichen Recht des Evangeliums fundierten Freiheits- und Gerechtigkeitsgedanken deutlicher formuliert.

Die Zwölf Artikel griffen die feudale Gesellschafts- und Herrschaftsform an. Sie zielten auf den Feudalherrn als Grundherrn, wenn sie die Reduzierung der Abgaben und Dienste forderten, sie zielten auf den Feudalherrn als Gerichtsherrn, wenn sie eine Rechtsprechung nach Gewohnheitsrecht anmahnten, und sie zielten auf den Feudalherrn als Leibherrn, wenn sie die Beseitigung der Leibeigenschaft verlangten, die durch Dienste und Todfallabgaben die bäuerliche Wirtschaft belastete und durch die Beschränkung der Freizügigkeit und der Ehefreiheit das Leben der Bauern prägte. Beim Eingehen von Ehen mit Leibeigenen fremder Leibherren mussten die Verheirateten Konfiskationen ihres Besitzes an Gütern und fahrendem Vermögen hinnehmen. Mit Hilfe der sogenannten Todfallabgabe wurden von Leibeigenen, die starben, nicht nur das beste Stück Vieh und das beste Kleidungsstück eingezogen, sondern oft ein Drittel bis zu einer Hälfte der gesamten Hinterlassenschaft.

 

Memmingen - ein Ort des Gedenkens an die Ereignisse von 1525

Knapp 500 Jahre später muss der Äußerung von Bundespräsident Rau aus dem Jahr 2000 Aufmerksamkeit geschenkt werden: „Kein Erfolg der Freiheitsgeschichte, keine einmal erworbene Freiheit ist automatisch für alles Zukunft gesichert“ (Volltext der Rede des Bundespräsidenten). Daraus ergibt sich der Auftrag, Demokratie und Menschenrechte als unveräußerliches Gut zu allen Zeiten zu stärken und den Weg des Dialogs und Ausgleichs für eine „Gesellschaft in Freiheit und ethischer Verantwortung“ (Ruszat-Ewig, 2017) nie aus dem Auge zu verlieren. Memmingen und im Besonderen das Gebäude der Kramerzunft bieten dafür eine einzigartige Plattform. Dialog und Ausgleich waren der zünftisch verfassten Reichsstadt seit jeher vertraut. Divergierende Interessen innerhalb der Bürgerschaft mussten auf Feldern wie Wirtschaft, Politik oder Kirche unter einen Nenner gebracht werden. Gespräch, Beratung und Kompromiss waren deshalb essentiell im Ringen der Bürgerstadt um den richtigen Weg.

Die Stadt Memmingen ist schon seit längerem um die Bewahrung des freiheitlichen Erbes der Bauern von 1525 bemüht. Schon im Jahr 1975, zur 450. Wiederkehr der Abfassung der "Zwölf Bauernartikel", veranstaltete die Stadt ein international besetztes, von Historikern aus Ost und West besuchtes und vielbeachtetes Forschungssymposion "Revolte und Revolution in Europa". Zur Gedenkfeier am 25. März 1975 sprach Prof. Dr. Peter Blickle über "Die Oberdeutschen Reichsstädte zwischen Reformation und Revolution". Der Bauernkrieg und andere Protestbewegungen der deutschen Geschichte fanden damals erstmals und nach langer Zeit der Missachtung Eingang in die politische Kultur unseres Landes. Gustav Heinemann, der damalige Bundespräsident, mahnte zur gleichen Zeit, dass es einer demokratischen Gesellschaft schlecht anstehe, "wenn sie in aufständischen Bauern nichts Anderes als meuternde Rotten sieht".

Im Jahr 2000, 475 Jahre nach den Ereignissen in der Kramerzunft, wurde von der Stadt Memmingen zusammen mit dem "Kuratorium Memminger Freiheitspreis 1525" der "Memminger Freiheitspreis 1525" ins Leben gerufen. Ausgangspunkt dieses Gedenkens an die Absichten und Ziele der protestierenden Bauernhaufen war ein Festakt in der Martinskirche im Beisein von Bundespräsident Johannes Rau. Mit dem "Memminger Freiheitspreis 1525" wurde damals eine Auszeichnung geschaffen, die alle vier Jahre verliehen wird. Sichtbares Zeichen des Gedenkens an die Ereignisse von 1525 ist der Freiheitsbrunnen am Weinmarkt unweit der historischen Kramerzunft.

In seiner Sitzung vom 22. Juni 2020 hat der Memminger Stadtrat ein "Memminger Manifest" verabschiedet, mit dem sich die in ihm vertretenen demokratischen Parteien und Fraktionen verpflichten, zusammen mit allen Bürgerinnen und Bürgern für die in den Zwölf Artikeln und in der bayerischen Verfassung formulierten Freiheitsrechte engagiert und überzeugt einzutreten sowie die damaligen Anliegen der Bauern, ihren Kampf um die Freiheit, in unsere moderne, pluralistische Gesellschaft zu übertragen. Das "Memminger Manifest" definiert drei Aufgaben als Handlungsschnur für Politik, Verwaltung und Bürgerschaft. Gemeinsam mit dem Kuratorium „Zwölf Bauernartikel“ initiiert die Stadt Memmingen im Gedenken an die Ereignisse des Jahres 1525 ein nachhaltiges Aktionsprogramm bis zum 500-jährigen Gedenken 2025 und weit darüber hinaus, das denkmalpflegerische, gesellschaftspolitische, kulturelle und bildungsrelevante Aspekte einschließt. Seither bezeichneet sich Memmingen als "Stadt der Freiheitsrechte".

Quelleneditionen (Auswahl)

  • Baumann, Franz Ludwig (Hg.): Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 129), Tübingen 1976, Nachdruck Aalen 1968, Hildesheim; New York 1975
  • Baumann, Franz Ludwig: Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben, Freiburg im Breisgau 1877
  • Franz, Günther: Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband, München/Berlin 1936, Nachdruck Darmstadt 1968, zuletzt Darmstadt 1977
  • Franz, Günther (Hg.): Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben, Freiburg/Brsg. 1877
  • Franz, Günther: Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges (Ausgewählte Quellen zur Geschichte der Neuzeit. Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. 2), Darmstadt 1963
  • Cornelius, Carl Adolf: Studien zur Geschichte des Bauernkriegs (Abhandlungen der k. bayer. Akademie der Wissenschaften), München 1861
  • Lenk, Werner (Hg.): Dokumente aus dem deutschen Bauernkrieg: Beschwerden, Programme, theoretische Schriften, Frankfurt am Main 1980

Ausstellungskataloge (Auswahl):

  • Bauernkrieg 1525. Dokumente – Berichte – Flugschriften – Bilder, bearb. von Hans-Martin Maurer. Katalog zur Ausstellung des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins 1975 in Stuttgart, 2. Aufl., 1975
  • Jahn, Wolfgang / Kirmeier, Josef / Berger, Thomas/ Brockhoff, Evamaria (Hg.): „Geld und Glaube“. Leben in evangelischen Reichsstädten. Katalog zur Landesausstellung 1998 in Memmingen (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, Bd. 37), Augsburg 1998
  • Jahn, Wolfgang / Kirmeier, Josef / Petz, Wolfgang / Brockhoff, Evamaria (Hg.): „Bürgerfleiß und Fürstenglanz“. Reichsstadt und Fürstabtei Kempten. Katalog zur Landesausstellung 1998 in Kempten (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, Bd. 38), Augsburg 1998
  • Wolf, Peter / Brockhoff, Evamaria / Fiederer, Fabian / Franz, Alexandra / Groth, Constantin (Hg.): Ritter, Bauern, Lutheraner. Katalog zur Landesausstellung 2017 in Coburg (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur, hg. vom Haus der Bayerischen Geschichte, Bd. 66), Augsburg 2017
  • Rückert, Peter unter Mitarb. Von Alma-Mara Brandenburg und Eva-Linda Müller (Hg.): Reformation in Württemberg. Freiheit – Wahrheit – Evangelium, Katalog und Aufsätze zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg zum Reformationsjubiläum 2017, 2 Bde., Ostfildern 2017

Monographien (Auswahl):

  • Blickle, Peter: Die Revolution von 1525, München 1975, 4. Aufl. 2004
  • Blickle, Peter: Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg, München 2015
  • Buszello, Horst / Blickle, Peter / Endres, Rudolf (Hg.): Der deutsche Bauernkrieg, 3. Aufl., Paderborn 1995
  • Elmar L. Kuhn (Hg.), Der Bauernkrieg in Oberschwaben (Oberschwaben – Ansichten und Aussichten), Tübingen 2000
  • Mayenburg, David von: Gemeiner Mann und Gemeines Recht. Die Zwölf Artikel und das Recht des ländlichen Raums im Zeitalter des Bauernkriegs (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte. Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Frankfurt am Main Bd. 311), Frankfurt/Main 2018

    Monographien und Zeitschriftenbeiträge zur Geschichte von Aufstand und Krieg

Digitale Medien

Literatur zum Bauernkrieg im Buchhandel und beim Historischen Verein Memmingen

  • Blickle, Peter: Die Revolution von 1525, 4. durchges. Aufl., München: Oldenbourg 2004 (erhältlich im Buchhandel)
  • Blickle, Peter: Der Bauernkrieg. Die Revolution des gemeinen Mannes, München: C.H. Beck 2011 (erhältlich im Buchhandel)
  • Zwölf Artikel und Bundesordnung der Bauern, Flugschrift "An die versamlung gemayner pawerschafft". Traktate aus dem Bauernkrieg 1525, übertragen von Christoph Engelhard, mit einer Einführung von Peter Blickle über Memmingens Rang in der Geschichte der Reformation, 2000 (erhältlich beimStadtarchiv Memmingen)
  • Ruszat-Ewig, Heide: Was geschah im März 1525 in der Kramerzunftstube in Memmingen? (Memminger Geschichtsblätter Sonderheft), Memmingen 2022 (erhältlich beim Historischen Verein Memmingen)
  • Ruszat-Ewig, Heide: Die 12 Bauernartikel. Flugschrift aus dem Frühjahr 1525 (Memminger Geschichtsblätter Sonderheft), Memmingen 2018 (erhältlich beim Historischen Verein Memmingen)
  • Ruszat-Ewig, Heide: Sebastian Lotzer. 5 Flugschriften aus der Reformationszeit (Memminger Geschichtsblätter Sonderheft), Memmingen 2015 (erhältlich beim Historischen Verein Memmingen)
  • Blickle, Peter: Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg, München C.H. Beck 2015 (erhältlich im Buchhandel)