Stadt Memmingen:Russlandfeldzug 1812

Memminger Quellen zum Russland-Feldzug 1812

In seiner 1826 veröffentlichten "Geschichte der Stadt Memmingen" notierte Jakob Friedrich Unold folgende Sätze zum denkwürdigen Jahr 1812:

"In diesem Jahr entbrannte abermals der Krieg, nemlich der Napoleons gegen Rußland, wo er mit einer halben Million Soldaten versuchte, das einzige Reich in Europa, das ihm noch zu widerstehen vermocht hatte, zu überwältigen, und dann Herr des wichtigsten Welttheils und durch ihn Herr der Welt zu seyn. Unter seinen Alliirten mußte nun natürlich auch Bayern eine große Anzahl Truppen stellen, und schon erschöpft aufs neue ungeheure Summen aufwenden. Wohl fühlte dieß das ganze Land und auch unsere Stadt. Im Januar mußte das Vierfache des Familienschutzgeldes zum Behuf der centralisirten Staats-Schulden-Tilgungs-Kasse bezahlt werden. Im Februar wurden wegen dem Drang der Zeit im Königreich zwey Lotterie-Anlehen eröffnet, und zwar ein verzinsliches von 12 Millionen Gulden und ein unverzinsliches von 6 Millionen Gulden. Die Bezahlung des Theils davon, den unsere Stadt traf, kam sie schwer an, denn die Kapitalisten, welche Geld beym Staat hatten, hatten schon seit einem Jahr keine Zinse bekommen, der Handel war durch die Seesperre zernichtet, und die immerwährenden Kriege hatten überhaupt großen Geldmangel hervorgebracht. Die monatlichen Sammlungen für die Armen dauerten fort. - Im Januar wurde den Juden das Schachern an Sonn- und Feyertagen verboten. - Im Februar setzte man die Laubthaler herab, und nach 2 Monaten sollten sie ganz ausser Kurs seyn. - Vom Juny bis Ende des Jahres war ein königl. Kommissär hier, die Schulden des Spitals zu untersuchen, und mit den Gläubigen zu liquidiren. Lezteres geschah vom August bis Oktober. - Im Okt. wurde die Dreykönigskapell-Kirche zum Verkauf ausgeboten. Es kaufte sie Hr. Hermann, Weißroßwirth, und sie wurde nun in einen Pferdestall verwandelt."

Auf den russischen Kriegsschauplätzen verloren Herbst/Winter 1812/13 aus dem Bezirk Memmingen 2 Soldaten ihr Leben; die Liste der Vermissten enthält 39 Namen; mehrere Steintafeln erinnerten an die Gefallenen und Vermissten in der Kirche Sankt Martin. In seiner 1846 veröffentlichten "Geschichtliche Beschreibung der protestantischen Haupt-Pfarrkirche zu St. Martin in Memmingen" hat Pfarrer Balthasar von Ehrhart die Texte der Tafeln übermittelt.

Die "Memminger Zeitung" veröffentlichte - mit deutlicher zeitlichen Verzögerung - Berichte vom russischen Kriegsschauplatz. Von einer Pressezensur durch den königlichen Polizeikommissar Joseph Dilg darf in diesen Jahren ausgegangen werden. Der langjährige Stiftungsverwalter Melchior Egloff Gerstmayr geht in seiner handschriftlichen Chronik zur Memminger Geschichte ebensowenig auf die Geschehnisse in Russland ein wie  die Chronisten Tobias Büchele und David Laber.