Stadt Memmingen:Bauernartikel vor dem Rat

Die Bauernartikel vor dem Rat der Reichsstadt 1525

Zu Beginn des Jahres 1525 forderten die Bauern aus dem Memminger Territorium eine Umsetzung der kirchlichen Errungenschaften der Reichsstadt sowie umfassende Reformen auch in ihren Dörfern. Auf Einladung des Rates trat am 24. Februar ein Ausschuss mit jeweils vier Vertretern von 27 Dörfern zusammen, um über die Geltung des "Wortes Gottes" bei der Regelung ihrer Anliegen zu beraten. Bereits einige Tage später reichte die "Memminger Landschaft" zehn, vom Memminger Kürschner Sebastian Lotzer verfasste Artikel ein, die "Articel, so die erbern Underton der Bauersleut und Hindersäß der Stadt Memmingen ... furhalten".

In ihnen wurden Beschwerden vorgetragen, die kurze Zeit später Bestandteil der Zwölf Artikel der oberschwäbischen Bauernhaufen geworden sind: Wahl und Unterhalt der Pfarrer durch die Gemeinde (Art. 1 und 2), Abschaffung von Leibeigenschaft (Art. 3) und Ehrschatz (Abgabe beim Tod oder Wechsel des Hofinhabers, Art. 6), Freigabe von Jagd, Fischerei und Waldnutzung (Art. 4), gerechte Bemessung der Frondienste (Art. 5), der Bußen (Art. 7) und der Abgaben (Art. 10), Verminderung der Abgabenlast bei Missernten (Art. 9), Rückgabe von Gemeindeland (Art. 8) und schließlich Grundlegung aller Artikel und Beschwerden im Wort Gottes (Beschluss).

Wie Peter Blickle schreibt, verdienen die Memminger Artikel "über ihre regionale Bedeutung hinaus Beachtung. Das göttliche Wort hatte bislang eine solche Last, wie die Memminger Bauern sie ihm zumuteten, nicht tragen müssen. Erst jetzt wurden weitgehende wirtschaftliche, soziale und politische Forderungen - weltliche Angelegenheiten durch und durch - von der Überzeugung getragen, sie seien durch das Evangelium gerechtfertigt" (Zwölf Artikel und Bundesordnung der Bauern, Flugschrift "An die versamlung gemayner pawerschafft", übertragen von Christoph Engelhard, mit einer Einführung von Peter Blickle über Memmingens Rang in der Geschichte der Reformation (Materialien zur Memminger Stadtgeschichte, Reihe A Quellen, Heft 2), Memmingen 2000, S. 12). Der Rat der Reichsstadt befasste sich mehrmals mit den bäuerlichen Forderungen. Am 15. März kam er in einer sehr pragmatischen "Anttwurt auff seiner Undterthon, der Pawrn, Artickel" den Bauern hinsichtlich der Pfarrerwahl entgegen, ja stimmte sogar einer Entlassung der Untertanen aus der Leibeigenschaft zu, sofern davon die städtischen Hoheitsrechte, die Steuer- und Wehrhoheit und die Satzungskompetenz des Rates unberührt blieben.

Das Entgegenkommen des Rates dürfte auch ein Grund dafür sein, dass sich Memminger Bauern kaum am Aufstand beteiligten; gewiss war damit auch eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen, daß Memmingen zum Versammlungsort der Baltringer, Allgäuer und Boden-seer Bauernhaufen wurde, die am 6./7., 15. und 20. März 1525 in der Kramerzunftstube tagten und "Dye grundtlichen vnd rechten haupt artickel, aller baurschafft vnnd hyndersessen der gaistlichen vnd weltlichen oberkayten, von wolchen sy sich beschwert vermainen", also die sog. Zwölf Bauernartikel, verabschiedeten. Diese wurden in den folgenden Wochen und Monaten im ganzen Reich gelesen und zum Vorläufer der demokratischen Verfassung Deutschlands.