Stadt Memmingen:Dreißigjähriger Krieg

Memmingen im Dreißigjährigen Krieg. Freiheit, Glaube und Leben in Gefahr

Mit der Unterzeichnung der Westfälischen Friedensverträge zu Münster und Osnabrück am 25. Oktober 1648 ging der Dreißigjährige Krieg zu Ende. Die Bürger der Reichsstadt Memmingen feierten dies am 16. November, wohnten dabei einer Komödie der Schuljugend mit allegorischen Szenen bei und waren beglückt, „dass dise Statt also in ihre vorige Libertät und Freiheit gesetzt worden, welche sie bei wahrendem sovil järigen Krieg fast gar verlohren hätte. Et sic respexit Deus Humilia Memingae, wie dis stat auf deme in anno 23 gemünzten Statpfennig, darauf alle damalige Rathsver-wandten Wapen gestochen waren, dises Symbolum attribuirt und gegeben worden.“ (Auszug aus Kriegschronik 1649). Am 6. Dezember ratifizierten Bürgermeister und Rat der Reichsstadt Memmingen offiziell die Friedensverträge und ließen sie von ihrem Gesandten Dr. Christoph Schorer unterschreiben.

Seit Kriegsbeginn hatten Kontributionen für Soldaten aller Seiten die öffentlichen und privaten Haushalte der Reichsstadt bis an ihre Grenze belastet. Pest, Seuchen, Hunger, Vergewaltigungen, Plünderungen und Morde hatten die Bevölkerung in Stadt und Land um eine heute unvorstellbare Zahl dezimiert.

Werfen wir einen Blick zurück: Das Unheil begann mit der Verschärfung des konfessionellen Gegensatzes zwischen Katholiken und Evangelischen, die sich in Liga und Union (darunter auch die Reichsstadt Memmingen) zusammenschlossen. Als 1618 der Krieg um die böhmische Königskrone ausbrach, wurden in Memmingen kaiserliche Truppen einquartiert. Der konfessionelle Status quo geriet ins Wanken. Heinrich von Knöringen, Bischof von Augsburg, erhob in der evang.-luth. Reichsstadt Memmingen Anspruch auf ehemals kath Einrichtungen und Rechte (u.a. Frauenkirche, Antonierhaus). Vom Kaiser erwirkte er die Er-laubnis, Jesuiten nach Memmingen zu entsenden und in seinem Haus (sog. Dillinger Haus) aufnehmen zu dürfen. Sie sollten „beicht hören, den catechismus exercieren, kranke visitieren, wie auch predigen.“

Vor dem Hintergund des Glaubensstreites um Donauwörth versuchte der reichsstädtische Rat vergeblich, die Ankunft der Jesuiten zu verhindern. Am 30. September 1626 begannen drei Jesuiten aus Mindelheim ihre Tätigkeit, zu der auch die Veranstaltung geistlicher Spiele an Weihnachten und Ostern zählte. 1629 wurde der evangelische Gottesdienst in der seit 1569 simultanen, also von beiden christlichen Konfessionen genutzten Frauenkirche verboten; im Januar 1630 verfügte Papst Urban VIII. die Übertragung der ehemaligen Antoniterpräzeptorei an ein geplante Jesuitenkolleg, im März 1630 verfügte der Kaiser die Restitution der Präzeptorei.

Die Sorge um reichsstädt Freiheit und evang. Kirchenwesen erreichte ihren Höhepunkt, als im Mai/Juni 1630 mit Albrecht von Wallenstein der damals erfolgreichste Feldherr Memmingens Tore durchschritt. Mehrere Chronisten beschrieben Aufenthalt, Gebaren und Hofhaltung des Generalissimus und seiner Regimenter. Ihr Resümee fiel zwie-spältig aus. Der evang.-luth. Superintendent Michael Laminit schrieb in seine Chronik, dass die Soldaten „ein solches sodomitisch, unzüchtiges, viehisches Huorenleben“ geführt hätten, wie es „in unsser Statt nit vill gehörtt“. Sebastian Dochtermann dagegen vermerkt in seiner Chronik, dass sich Wallenstein nicht in städtische Angelegenheiten eingemischt habe. Rechnungen des Unterhospitals belegen, dass er den „Armen Dürftigen“ sogar mehr als 400 Gulden stiftete. „In dißer Zeit,“ - so schreibt Dochtermann zusammenfassend - „weill der Herzig alhie gelegen, ist alles ganz wollfell worden und alles woll gerautten, dan weill der Herzig in der Statt gelegen, ist Glickh und Heill gewest“. Ein anderer anonymer Chronist wies rückblickend auf den „grossen schrekhen“ hin, den die Stadt bei der Nachricht von der bevorstehenden Ankunft Wallensteins empfunden habe. „Wie aber sein hin und wider fast tyrannisches gefiertes Procedere und vielfältige Executiones alle Welt bekant waren, dahero die Burgerschafft in stetiger forcht gelebet.“

Mit dem Eingreifen Gustav Adolfs von Schweden in den Krieg schien sich das Blatt zu wenden. Die Aktivitäten des Augsburger Bischofs fanden nach dem Einmarsch schwedischer Truppen in Memmingen am 16. April 1632 ein Ende; die Jesuiten verließen die Reichsstadt. Wenige Tage später logierte Gustav Adolf für eine Nacht im Fuggerbau. Trotz der Wende im Kriegsgeschehen war ein Friedensschluss noch in weiter Ferne. Tausende Soldaten, einmal Schwedische, dann wieder Kaiserliche belasteten noch viele Jahre lang Stadt und Bürgerschaft.

Von September bis November 1647 wurde Memmingen von den kurbayerischen Regimenter Enkevoer, de Lapier, Rouyer und Winterscheid belagert. Die Bürger litten unter großer Todesangst, die Angreifer hätten - so ist im Tagebuch eines ihrer Söldner zu lesen - „geschossen Tag undt Nacht“. Der schwedische Stadtkommandant Sigismund Przyemski ließ 200 Handwerksgesellen zum Wachdienst einteilen. Schanzen wurden verstärkt, Gräben gegen die feindlichen Stollen vorangetrieben, um das Zünden dort gelegter Sprengladungen zu verhindern. Nach einer neunwöchigen Belagerung zehntägigen Waffenstillstandsverhandlungen zog die schwedische Besatzung mit ihren beweglichen Waffen schließlich nach Norden ab.

In seiner Memminger Chronik zieht Christoph Schorer eine Bilanz der Zerstörung: „2 Thor gantz zerschossen, die Mauren durchlöchert, die Häuser und Gebäu in der Stadt ubel verderbt, deren viel durch die Granaten darnider geschlagen und zerschmettert, also inner und ausser der Stadt unsägelicher Schaden an Mühlinen, an Teichen, an den Gebäuen, an den Hölzern, an den Feldern und in deß armen Spittals gehörigen Dörffern verursacht worden. Uber 5000 Canon-schuß auß halben Cartaunen, Schlangen und Falckoneten seynd auff die Stadt gangen und mehr als fünffthalb hundert Granaten und Ernstkuglen oder Feurballen, wiewol von unterschiedlichen Per-sonen die Anzahl auff 600 geachtet, hereingeworffen worden ...“

Dem oben erwähnten Söldner wurde im Januar 1648 eine Tochter geboren. Mit seiner Familie blieb er bis zum Abzug des Regiments Winterscheid im Oktober 1649 in Memmingen. Offenbar hat er sich hier sehr wohl gefühlt: „Ist ein schön fruchtbar landt von Kornbauw, licht in Schwaben, hatt schöne forellen in diesen wasser, hat 2 schöne kirchen, S Martin undt unser Frauwen kirche, auch ein schön Spittal, auch ein Augustinerkloster.“

Quellentexte:
Wallenstein in Memmingen 1630
Belagerung und Kriegsende in Memmingen 1647/48