Stadt Memmingen:Buchbinderfamilie Diesel

Die Memminger Buchbinderfamilie Diesel

Die Familie Diesel stammt ursprünglich aus dem thüringischen Pößneck, wo im dortigen Hochzeitsbuch 1644 Hans Georg Tüssel eingetragen ist. Dessen Söhne, Hanss Christoff und Nikolaus Augustin, zogen vor 1726 nach Ludwigsburg. Hanns Christoff ist dort als "Kanzleybote" belegt.

Im August 1752 beantragte der 26-jährige Buchbindergeselle und Kanzleibotensohn Johann Christoph Diesel von Ludwigsburg vor dem Magistrat der Reichsstadt das Memminger Bürgerrecht, was ihm dieser gewährte, da er gewillt war, die Witwe des Buchbinders Johann Balthasar Hopfers zu heiraten. Als Buchbinder, Verleger und Buchhändler wird Diesel in den folgenden Jahren mehrfach in den Quellen genannt. 1772 ging die „Sammlung geistlicher Lieder“ des Memminger Pfarrers und Bibliothekars Johann Georg Schelhorn aus seiner Druckerei bzw. seinem Verlag hervor. Erste Exemplare widmete er seiner reichsstädtischen Obrigkeit, von der er in den folgenden Jahren Aufträge erhielt. Als „Canzleybuchbinder und Mühlvisitator“ ist Diesel 1793 im Alter von 67 Jahren verstorben.

Aus seiner Ehe gingen mehrere Kinder hervor, darunter 1763 ein gleichnamiger Sohn, der in die Fußstapfen seines Vaters trat und es bis zum Obermeister der Buchbinder-Innung brachte und im hohen Alter von 82 Jahren 1845 gestorben ist. Die Familie bewohnte bzw. besaß einen Teil des Hauses Nr. 177 (heute Weinmarkt 2, neben dem Weberzunfthaus).

Auch der Enkel des 1752 nach Memmingen gezogenen Johann Christoph erhielt mit seiner Taufe 1802 diesen Namen. 1820 verließ er als Wanderlehrling seine Geburtsstadt. Wohl im Mai 1821 wurde ihm eine Wanderlizenz zur Ausreise ins Ausland erteilt; Stationen seiner Reise waren u. a. München, Wien und Prag. 1828 heiratete er in Augsburg Sabine Rieß, die Tochter eines Zeugschmiedes. Johann Christoph verstarb 1866 in seiner neuen Heimatstadt – acht Jahre nach der Geburt seines Enkels, des Erfinders des „Dieselmotors“, Rudolf Diesel.

Biographische Daten

Johann Christoph Diesel (I)

geb. 1726 in Ludwigsburg, Sohn des dortigen Kanzleiboten Hans Christoph Diesel (vor 1726 aus dem thüringischen Pößneck nach Ludwigsburg zugezogen), im August 1752 Erwerb des Memminger Bürgerrechts, Eheschließung (1752) mit Susanna Hommel (Witwe des Buchbinders Joh. Balthasar Hopfer, 69-jährig gestorben, beerdigt am 06.02.1788), gest. 17.09.1793 auf dem reichsstädtischen Friedhof

Johann Christoph Diesel (II)

geb. 11.09.1763 in Memmingen, Sohn von Johann Christoph Diesel (I), Wohnsitz: Haus-Nr. 177 (heute Weinmarkt 4), später Nr. 827 (Pfründe, heute Spitalgasse 3), Eheschließung (I) (1792) mit Ursula Heinsius (geb. 12.01.1773 in Memmingen, Knabenschulmeisterstochter, gest. 18.07.1798 in Memmingen),  Eheschließung (2) (1798) mit Anna Margarethe Hugel (geb. 16.12.1770 in Memmingen, gest. 13.07.1832 in Memmingen, Strumpfwirkerstochter), gest. 11.12.1845 in Memmingen

Johann Christoph Diesel (III)

geb. 27.03.1802 in Memmingen, Sohn von Johann Christoph Diesel (II), Großvater von Rudolf Diesel (1858-1913), 1820 aus Memmingen verzogen, Eheschließung (1828) mit Sabina Rosina Jacobina Regina Rieß (geb. 13.12.1799 in Augsburg, Zeugschmiedstochter, gest. 13.02.1869 in Augsburg), gest. 05.08.1866 in Augsburg, Großvater des „Dieselmotor“-Erfinders Rudolf Diesel

Exponate

Aufnahme von Johann Christoph Diesel ins Memminger Bürgerrecht, Ratsprotokoll vom 4. August 1752 (Reproduktion, Stadtarchiv Memmingen)

Familienbogen des Memminger Stadtmagistrats für Johann Christoph Diesel (geb. 1763)(Stadtarchiv Memmingen)

Verzeichnis der Gräbstätten des Friedhofes der Reichsstadt Memmingen mit den Eintragungen zur Grabstätte Nr. 353 „Diesel“ (linke Seite)(Stadtarchiv Memmingen)

Wohnhaus der Familie Diesel neben der Weberzunft am Weinmarkt (alte Haus-Nr. 177, heute Weinmarkt 4, Ausschnitt aus dem Stadtmodell von 1822/30, Stadtmuseum Memmingen)

Sammlung geistlicher Lieder, hrsg. von Johann Georg Schelhorn im Verlag von Johann Christoph Diesel, mit Kupferstich von G.I. Hommel, Memmingen 1772 (Wiss. Stadtbibliothek Memmingen)

Literatur zu Rudolf Diesel und Memmingen

Eugen Diesel: Diesel. Der Mensch – das Werk – das Schicksal, Hamburg 1937 / Stuttgart 1953 (mit einem Kapitel zur Familiengeschichte)

Rudolf Diesel in Memmingen:
Auszug aus: Eugen Diesel, Autoreise 1905, Neuausg. Hamburg-Bergedorf 1948, S. 42ff (hier zitiert nach Walter Braun und Hilde Miedel (Hrsg.): Meinungen über Memmingen, Kempten 1965, S. 77-81)